Ich mag die Bücher von Roland Kopp-Wichmann. Der Psychologe versteht es, psychologische Bücher und Lebenshilfe (was ein negativ besetztes Wort!) in ansprechender und unterhaltsamer Weise als Lektüre zu vermitteln.
Nach seinem Buch “Ich kann auch anders: Psychofallen im Beruf erkennen“, das ich ebenfalls rezensieren durfte, habe ich mich kürzlich mit “Frauen wollen erwachsene Männer – Warum Männer sich ablösen müssen, um lieben zu können” auseinandergesetzt.
Und vorab kann ich bereits verraten: das Werk ist nicht nur eine Lektüre für Frauen. Auch Männer können einiges über sich und ihre Verhaltensweisen in Erfahrung bringen. Wie der Untertitel des Buches bereits andeutet, geht es um die Ablösung des Mannes von seinem Elternhaus. Es gibt Männer, die qua Personalausweis bereits lange die Volljährigkeit hinter sich gelassen haben, sich aber dennoch in vielen Situation im Privatleben wie ein Minderjähriger aufführen. Woran das liegt und wie diese Verhaltensweisen erfolgreich abgelegt werden, will Kopp-Wichmann auf 200 Seiten erläutern.
Nach einer kurzen Einleitung (“Warum viele Männer in Beziehungen über die Nabelschnur stolpern”) wird in den ersten beiden Kapiteln beschrieben, wann ein Mann erwachsen ist und warum manche Männer nicht erwachsen werden wollen.
Insbesondere Söhnen fällt die Ablösung von der Mutter schwerer als Töchtern. Dabei handelt der Mann selten bewusst. Viele Verhaltensweisen geschehen unbewusst und ohne wahres Wissen des Mannes. Ursächlich dafür sind tradierte Verhaltensmuster aus der Kindheit.
Nach Meinung von Roland Kopp-Wichmann ist ein Mann erwachsen, wenn er “eine gleichberechtigte Beziehung zu einem anderen erwachsenen Menschen über eine längere Zeit aufrechterhalten und genießen kann und darüber hinaus einen angemessenen Kontakt zu seinen Eltern pflegen kann”. Nicht erwachsene Männer erkennt man oft daran, dass sie nicht in der Lage sind, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Das sind dann beispielsweise “der Mann als braver Junge: der Sohnemann, “der Mann als Supermann: der Held”, “der Mann als besonderer Mann: der Prinz” und “der Mann als Verführer: der Casanova”. Allen vier gemeinsam ist, dass sie in unterschiedlichen Ausprägungen noch nicht erwachsen sind.
Und erwachsen werden kann der Mann nur durch die Ablösung. Die Ablösung wird nach äußerer und innerer Ablösung unterschieden. Die äußere Ablösung ist meist einfach: ein eigener Hausstand, Ausbildung und Beruf sowie Heirat und Kinder. Die innere Ablösung vom Elternhaus hingegen wird meist der als konfliktgeladener Verlust der Geborgenheit zu den Eltern erlebt. Und wer diese Ablösung als zu schmerzhaft erlebt, versucht sie zu vermeiden. Aber genau diesem Konflikt muss sich der Mann stellen.
Kopp-Wichmann macht deutlich, dass es in einer Beziehung wichtig ist, sich der Unterschiedlichkeit beider Lebenspartner bewusst zu sein und diese gelten zu lassen. Denn: eine Beziehung lebt auch von der Verschiedenheit.
Im dritten Kapitel wird die Frage erörtert, wieso die meisten Frauen erwachsene Männer haben wollen. Nur mit einem erwachsenen Mann kann sich die Frau als Frau in einer Beziehung fühlen. Ist der Mann nicht erwachsen, mutiert die Ehefrau zur Ersatzmutter des Partners. Andererseits müssen die Frauen lernen und akzeptieren, dass ihr Mann nicht nacherziehbar ist (“Und eine Beziehung ist kein Erziehungs-Camp.”).
Nach diesem überwiegend theoretischen Teil geht es in der zweiten Hälfte des Buches um den sehr ausführlichen Praxisteil, der insbesondere das Reflektieren des eigenen Verhaltens zum Thema hat. Im vierten Kapitel um die Wege zur Ablösung für Männer. Dazu zählt unter anderem, sich für eine einzige Frau zu entscheiden und sich gegen seine eigene Mutter stellen zu können. Denn nach Meinung von Roland Kopp-Wichmann kann man “nicht Mann und gleichzeitig Sohn sein.” Anhand eines Tests kann jeder Leser feststellen, wie hoch sein Grad des Erwachsen sein ausgeprägt ist. Angereichert wird diese Sequenz mit Ablösungs-Experimenten.
Abgerundet wird das kompakte Buch mit einem “Kapitel für beide”, das Frau und Mann nach Möglichkeit gemeinsam lesen sollten, um mehr Verständnis füreinander aufzubringen und die Denkweise des anderen besser zu verinnerlichen. Beispielsweise ist es ratsam, den Partner nicht erziehen zu wollen, sondern stattdessen ein klares Feedback und den Wunsch nach einer Veränderung des Verhaltens des Partners Ausdruck zu verleihen. Insbesondere Frauen fahren gut damit, wenn sie ihre nörgelnden Klagen in Wünsche oder Bitten umformulieren (der Klassiker: “Würdest du bitte den Müll rausbringen” statt “Siehst du denn nie von selbst, dass der Mülleimer voll ist?”). Die bessere Hälfte, so rät Kopp-Wichmann, muss akzeptieren, dass der Mann nicht geändert werden kann. Aber: es genügt, wenn die Frau ihr eigenes Verhalten ändert (“Ändern sie nicht ihren Mann, ändern sie ihr Verhalten!”).
“Frauen wollen erwachsene Männer” ist ein lesenswertes und kurzweiliges Buch für Menschen, die ihr eigenes Verhalten kritisch reflektieren und an der gemeinsamen Beziehung zu ihrer Partnerin arbeiten möchten. Roland Kopp-Wichmann hat erneut bewiesen, dass man keine trockenen Theorie-Ratgeber wälzen muss, um psychologische Themen zu beleuchten. Seine Sprache und Schreibe ist pointiert und prägnant. Dank der zahlreichen Beispiele aus seiner Praxis stimmt die ausgewogene Mischung aus Wissensvermittlung (wieso handele ich so, wie ich handele?) und Beispiele aus dem Paaralltag.
Auch für mich war die Lektüre lohnenswert, hat sie mir doch gezeigt, dass mein Abnabelungsprozess vom Elternhaus erfolgreich verlaufen ist, ich aber an der einen oder anderen Stelle dennoch besser werden kann. Meine Beziehung wird es mir danken.