Torfabrik gegen Schießbude, echte gegen falsche Borussia, kommender Herbstmeister (und Deutscher Meister ?) gegen zukünftigen Zweitligisten – vor dem Borussenderby am Samstag Abend wurden viele Superlative bedient, um dem Prädikat “Topspiel” (weil die Partie erst um 18:30 Uhr angepfiffen wurde) gerecht zu werden. Bei solchen Vergleichen bin ich immer vorsichtig und gewarnt – Skepsis ist angebracht.
Viel wichtiger als die Tatsache, dass der BVB der “früheste Herbstmeister aller Bundesliga-Zeiten” aufgrund des Mainzer Sieges doch nicht werden konnte (das hatte am 14. Spieltag einer Saison bislang noch keine Mannschaft geschafft), war die Vertragsverlängerung mit Cheftrainer Jürgen Klopp, die am Donnerstag bekannt gegeben worden ist. Klopp soll somit mindestens bis 2014 die sportlichen Geschicke bei Borussia Dortmund steuern und die aufstrebende junge Mannschaft kontinuierlich entwickeln.
Bei winterlichen Temperaturen um den Gefrierpunkt pilgerten wiederum 80.000 Fans in das Westfalenstadion, um ein hoffentlich ansehnliches Borussen-Derby zu erleben. Eine Überraschung in der Startelf des BVB gab es: Kevin Großkreutz musste für Kuba Platz machen, der in der Vorwoche beim Sieg in Freiburg mit der vergebenen 100.000-prozentigen Großchance für Aufsehen gesorgt hatte. Sicherlich auch eine Belohnung für Kubas gute Leistung in den vergangenen Partien, während Großkreutz’ Formkurve eher Richtung Süden gezeigt hat.
In der siebten Minute konnte Lucas Barrios die erste Torgelegenheit für sein Team verzeichnen, als er eine feine Hereingabe von Sven Bender nur auf den Gladbacher Schlussmann köpfen konnte. Kuba zog nach dreizehn Minuten aus der Distanz ab, doch dieser Schuss streifte rechts am Gehäuse vorbei. Nach 19 Minuten war es erneut Barrios, der denkbar knapp vor dem Tor gescheitert ist. Auch nach 24 Minuten klingelte es nicht im Tor der Gladbacher, als während tumultartiger Szenen im VfL-Strafraum ein fröhliches Scheibenschießen nicht mit einem Torerfolg belohnt worden ist. In der 30. Minute rettete Heimeroth erneut glänzend gegen den kopfball-spielenden (!) Shinji Kagawa.
Dem BVB war nach einer halben Stunde die Feldüberlegenheit gegen kompakt stehende Gladbacher anzumerken – leider waren die Tormöglichkeiten selten zwingend. Somit war das torlose Remis durchaus als Erfolg für Mönchengladbach zu werten. Und es kam noch besser für die Fohlen: Youngster Marco Reus spazierte auf das Tor von Roman Weidenfeller zu und überwand mit dem ersten Torschuss der Gäste den Schlussmann aus der Distanz zum 0:1 (33.). Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall!
Der überraschende Rückstand schien den Tabellenführer gelähmt zu haben, denn die letzte Viertelstunde der ersten Halbzeit war einfach nur noch schlecht gespielt. Ich fühlte mich unweigerlich an das Spiel in Freiburg erinnert, das der BVB bekanntlich auch mit einem 0:1 in der ersten Halbzeit beendet hatte. Aber ganz so schlimm war es am Ende doch nicht mit dem Ergebnis zum Pausentee. Neven Subotic erzielte sein erstes Saisontor in der ersten Minute der Nachspielzeit im Anschluss an einen Eckball.
Beide Mannschaften kamen unverändert aus der Kabine. Gladbach spielte wie verwandelt und hatte bereits zu Beginn der zweiten 45 Minuten zwei gute Möglichkeiten. Aber nach einigen Minuten kam der Tabellenführer besser ins Spiel und konnte seine Überlegenheit auch in Tore ummünzen. Shinji Kagawa wurde in der 52. Minute wunderbar von Mario Götze in Szene gesetzt, ging am Torwart vorbei, schob den Ball ins leere Tor und bejubelte sein siebtes Saisontor und das 2:1 für Dortmund.
Kevin Großkreutz wurde nach 62 Minuten für Kuba ins Spiel gebracht. Auch in der zweiten Halbzeit spielte Mönchengladbach nicht wie ein potenzieller Zweitligist und Tabellenletzter. Die Gäste gingen robust, aber nicht übermäßig hart ins Spiel und ließen den BVB selten zur Entfaltung kommen. Ein Klassenunterschied zwischen dem Ersten und Letzten war nicht wirklich festzustellen.
Klopps Geschick bei Auswechslungen machte sich auch am 14. Spieltag bezahlt: Lucas Barrios leiteten den Angriff über rechts wunderbar mit der Hacke ein und Kevin Großkreutz verwandelte das Geschenk eiskalt (77.). Shinji Kagawa, umjubelter Schütze des 2:1, machte zwölf Minuten vor dem Ende Platz für Robert Lewandowski. Außerdem kam für Mario Götze in der 83. Minute Antionio da Silva ins Spiel.
Den Schlusspunkt setzte Torjäger Lucas Barrios in der 88. Minute mit seinem 8. Saisontreffer zum 4:1. 13 Saisonspiele ohne Niederlage sowie fünf Siege in Folge sind für Borussia Dortmund ein weiterer Meilenstein in dieser unglaublichen Spielzeit. Wo soll das noch hinführen?
Update zum Thema Statistik, Serien und Superlative:
Felix Meininghaus von der Frankfurter Rundschau (FR) ist ebenfalls vom BVB begeistert: „Rekorde, jede Woche neue Rekorde. Dieses Mal ging es um die Zahl 37. So viele Punkte hat noch kein Verein aus den ersten 14 Spielen geholt, seit der Deutsche Fußballmeister in der Bundesliga ausgespielt wird. Unglaublich diese Bilanz aus zwölf Siegen bei einer Niederlage und einem Remis, wo mag das hinführen, jetzt, wo es nur noch eine Frage der Zeit ist, wann Borussia Dortmund die Herbstmeisterschaft perfekt macht? Die jüngste Mannschaft der Liga stürmt weiter munter von Superlativ zu Superlativ, längst kann keiner mehr sagen, wo das Limit ist. Die jungen Dortmunder werden von der Konkurrenz mittlerweile als das wahrgenommen, was sie sind: Eine Spitzenmannschaft. Und Klopp muss seinen Spielern neue Qualitäten wie Geduld und Beharrlichkeit lehren, doch derzeit deutet nichts darauf hin, als sei der BVB damit überfordert; zumal dieses Team jederzeit zulegen kann. Es ist bewundernswert, mit welcher Reife sich dieses Team immer neuen Herausforderungen stellt. Das spricht für Klopp und seiner Mitstreiter, die sich mit an Sturheit grenzender Konsequenz der Maxime verschrieben haben, sich jeglicher Zielsetzung zu verweigern und immer nur die kommende Aufgabe in den Fokus zu rücken.“
29. November 2010 um 12:08
Hallo,
leider muss ich da mal 2 Dinge beanstanden:
1. Liegt Korschenbroich wohl nicht im Rheinland sondern am Niederrhein. Vergleiche dazu auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Korschenbroich
2. ist die "echte" Borussia die aus Mönchengladbach, denn die gibt es schon seit 1900. Die Falsche erst seit 1909
Aber dennoch ein schöner Sieg für die falsche Borussia und ein weiterer Schritt auf dem Weg zum "M"
Norbert
29. November 2010 um 12:17
Vielen Dank für diese geographische Nachhilfe.
Ich bin mir bewusst, dass das der Niederhein ist; allerdings bin ich bei meiner Definition von der groben Abgrenzung von Rheinland und Westfalen in bezug auf Nordrhein-Westfalen ausgegangen.
Wer die "echte" und wer die "falsche" Borussia ist, darüber kann man streiten. Am Ende geht´s um das Fußballspiel und da haben die Gladbacher die ruhmreichen Zeiten leider lange hinter sich 🙂