Es war wohl die kürzeste Winterpause seit Bestehen der Bundesliga. Nur 27 Tage nach der zweiten Saisonniederlage reiste Tabellenführer Borussia Dortmund nach Leverkusen.
Die Winterpause hatten mehr oder weniger kompetente Fußballexperten genutzt, um über die Meisterschaftsambitionen und -chancen der mit zehn Punkten in der Tabelle führenden Westfalen zu diskutieren. Das eine Lager sieht schwarz-gelbe Meisterträume schon jetzt Realität werden, während das andere Lager mahnend den Zeigefinger hebt und Beispiele aus der Historie von 47 Bundesliga-Spielzeiten aufzählt, in denen ein komfortabler Vorsprung am letzten Spieltag nicht ausgereicht haben, um die Meisterschale in die Höhe zu stemmen.
Beim BVB traut man – zumindest nach außen und offiziell – dem Westfalenmeisterbraten noch nicht. Ich bin aber überzeugt davon, dass Jürgen Klopp die Mannschaft speziell in psychologischer Hinsicht auf das große Ziel eingeschwören wird und auch vor einer möglichen Schwächephase in den letzten 17 Spielen keine Furcht hat.
Zudem hat Michael Zorc mit den Vertragsverlängerungen von Kevin Großkreutz, Mario Götze und Roman Weidenfeller wichtige Meilensteine für die Zukunft gesetzt, die dem jungen Team auch über die Spielzeit hinaus eine klasse Perspektive bieten. Die äußeren Bedingungen sind also bestens im Jahre 2011 – jetzt liegt es an der Mannschaft, ihren Teil zum Erfolg beizutragen und die spielerische Klasse und Finesse aus der Hinrunde 2010/2011 weiter unter Beweis zu stellen.
Besondere Brisanz bekam die Partie bei Bayer auch dank einer Analyse in der Financial Times Deutschland vom heutigen Freitag. Das Wirtschaftsblatt sollte sich eher auf seine Kernkompetenzen konzentrieren: während Borussia Dortmund am Saisonende der zweite Rang prognostiziert wird, erwartet die FTD Bayer Leverkusen allen Ernstes als Deutschen Meister 2011.
Gemeinsam mit Liam saß ich ab viertel nach acht vor dem Fernseher und konnte den Anpfiff kaum erwarten. Lucas Barrios saß zu Beginn der Partie genauso auf der Ersatzbank wie Mo Zidan. Stattdessen kamen Joker Robert Lewandowski und Kuba von der ersten Minute an zu ihren Einsätzen. Und Mario Götze spielte für den auf Asienreise befindlichen Shinji Kagawa direkt hinter Lewandowski.
Die komplett in Gelb spielenden Borussen sorgten nach drei Minuten für das erste Ausrufezeichen. Nach Freistoß von Nuri Sahin knallte der Kopfball von Sven Bender nur an den Pfosten des Bayer-Tores. Das war knapp! Genauso druckvoll wie in den ersten Minuten setzte Borussia auch in der Folge nach und ließ Leverkusen wenig Raum – ein beeindruckender Auftakt des Herbstmeisters. Bayer meldete sich aber auch zu Wort. Neven Subotic entschärfte die erste Chance der Hausherren nach elf Minuten mit einem sauberen Tackling.
Danach kam Bayer Leverkusen besser ins Spiel und konnte die anfängliche Dortmunder Dominanz unterbrechen. Doch Robert Lewandowski hatte in der 23. Minute den Führungstreffer auf dem Fuß – war aber anscheinend zu überrascht von dem feinen Pass aus der Tiefe.
Nach einer halben Stunde zeichnete sich ab, dass der BVB optisch überlegen war, sich beide Teams aber ansonsten praktisch neutralisieren. Torchancen waren Mangelware – bis zur 33. Minute. Erneut war es Lewandowski, dessen Fernschuss von René Adler im letzten Augenblick zur Ecke gelenkt werden konnte.
6:2 Torschüsse zugunsten der Gäste sowie 2:2 Chancen nach 45 Minuten deuteten darauf hin, dass die taktische Marschroute für beide Teams im Vordergrund gestanden hat. Leider konnte Borussia bis dahin keinen Vorteil aus der optischen Überlegenheit ziehen. Folgerichtig das torlose Unentschieden zur Halbzeit. Dortmund hat aber unter Beweis gestellt, dass an die Leistungen der Hinrunde durchaus angeknüpft werden kann.
Sven Bender musste nach der Halbzeit verletzungsbedingt (Bänderdehnung) in der Kabine bleiben, für ihn durfte Antonio da Silva auflaufen. Kuba raste nach 48 Minuten die rechte Seite herunter und flankte scharf in den Strafraum – leider scheiterte Lewandowski zum bereits fünften Mal in dieser Begegnung vor dem Tor.
Besser machte es da ein Dortmunder Junge: Einen weiten Einwurf von Lukas Pisczek nutzte Kevin Großkreutz nur wenige Minuten später zum mehr als verdienten Führungstreffer (49.) – sein fünftes Tor in dieser Saison. Vier Minuten später Gänsehautstimmung in der BayArena, als Großkreutz seinen sechsten Treffer feiern konnte – 2:0 dank einer feinen Einzelleistung mit einem satten Schuss in die rechte untere Ecke.
Aber das war noch nicht alles. Nur 120 Sekunden später gab es den nächsten Kracher von der jungen Truppe. Diesmal war es Mario Götze, der René Adler keine Chance gelassen hat und “durch die Hosenträger” vom Keeper einnetzen konnte. Diese nicht mal fünf irren Minuten überrumpelten die Werkself förmlich und ließen Liam und mich wild jubelnd durch das Wohnzimmer springen. Football at it’s best!
Der Youngster, Mario Götze, verließ unter tosendem Applaus nach 68 Minuten den Platz und ermöglichte Lucas Barrios den Einsatz. Und für die gebeutelten Leverkusener langte es zumindest noch zum Ehrentreffer. Stefan Kießling konnte sich in der 80. Minute über seinen zweiten Saisontreffer freuen – dem BVB-Anhang entlockte dieses Tor nur ein mitleidiges Lächeln.
Doch Klopps Kicker mussten weiter auf der Hut sein, denn der Tabellendritte drehte auf und hatte mehrere gute Einschussmöglichkeiten. Kevin Großkreutz bekam bei seiner Auswechslung nach 87 Minuten standig ovations und wurde gegen Felipe Santana ausgetauscht, um die Defensive zu stabilisieren.
Tore gab es danach nicht mehr, so dass der 3:1-Sieg von Borussia Dortmund amtlich war. Übrigens: der BVB gewann 9 der ersten 10 Auswärtsspiele in dieser Saison – einmalig in der Bundesliga-Geschichte und damit Rekord.
Dieser Auswärtssieg ist mehr als eine Revanche für die erste und bisher einzige Heimniederlage im August 2010. Es ist ein Sieg gegen den – wenn man der Presse glauben darf – ärgsten Konkurrenten im Meisterschaftskampf. Aber war es eine Vorentscheidung zugunsten der Schwarz-Gelben? Definitiv nein. 16 harte Spiele sind noch zu absolvieren.
18. Januar 2011 um 02:48
Ich liebe diese Berichte 😉
Es war ein absolut geiles Spiel. So kommen wir der "Meisterdusche" einen Schritt näher 😉
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