Passend zum Weihnachtsfest gibt es eine Biografie von Erfolgstrainer Jürgen Klopp frisch auf dem Markt. Elmar Neveling hat “Jürgen Klopp Echte Liebe” herausgebracht.
Und wie schon bei Claus Feldners Biografie über den Dortmunder Coach handelt es sich bei Jürgen Klopp. Echte Liebe um keine vom Übungsleiter autorisierte Biografie. Dieser Sachverhalt wird direkt zu Beginn erläutert: “Klopp selbst hat bei diesem Buch nicht mitgewirkt.” Es werden vielmehr Sekundärquellen bemüht (Print- und TV-Medien), um sich dem großen Blonden auf mehreren Gebieten zu nähern.
Das ausschließliche Verwenden von Sekundärquellen ist per se nicht schlecht, insbesondere dann, wenn es sich um Vertraute Klopps handelt, die als Quelle fungieren. Dazu zählen unter anderem Christian Heidel, Manager des FSV Mainz 05, Dennis Weiland, ehemaliger Spieler in Mainz sowie Klopps Jugendtrainer Bauer.
Angefangen von seiner Kindheit und Jugend wird der Weg beim FSV Mainz 05 akribisch beschrieben und die ersten Schritte als Trainer bei den Rheinhessen erzählt. Während sich die ersten siebzig Seiten der Kindheit, Jugend, Amateur und Profilaufbahn als Spieler und Trainer in Mainz widmen, behandeln die übrigen mehr als 150 Seiten sein Handeln und Wirken bei Borussia Dortmund.
Der Leser der Biografie lernt nicht nur den Menschen Jürgen Klopp kennen, sondern kann sein Wissen in Sachen Fußball und Taktik vertiefen und ausbauen (Stichwort: das oft zitierte Spiel gegen den Ball). Dabei geht es weg vom Spiel mit dem Libero – einem Ende des letzten Jahrtausends aussterbenden Spielertypus, den insbesondere Lothar Matthäus und Matthias Sammer par excellence verkörpert haben. Und hin zum 4-3-3 und der raumorientierten Deckung anstelle der stumpfen Manndeckung, die den Spielern läuferisch extrem viel abverlangt und ein ständiges Antizipieren des Spiels erfordert.
Übrigens: Es gibt nicht viele keinen Trainer, die der viermal innerhalb einer Dekade den Aufstieg von der zweiten in die erste Bundesliga um Haaresbreite verpasst haben hat. Jürgen Klopp ist einer von ihnen dieses Kunststück gelungen. Und er war verantwortlich, dass die Mannschaft in Mainz an diesem Fluch nicht psychisch zerbrochen ist.
Zwei Jahre vor seinem Engagement in Dortmund führt Hans-Joachim Watzke bereits Gespräche mit Christian Heidel, dem Manager des FSV Mainz, um Klopp an die Ruhr zu lotsen. Auch die Bayern buhlen um seine Dienste, entscheiden sich aber für einen Herrn Klinsmann, weil sie dem Mainzer die große Aufgabe nicht zutrauen. Auch der Hamburger SV und Bayer Leverkusen nehmen von einer Verpflichtung Abstand, so dass Klopp Borussia Dortmund das Ja-Wort gibt. Alles weitere ist bekannt…
Nach der Lektüre der mehr als 220 Seiten lässt sich noch besser ermessen, welche rasante sportliche Entwicklung seit der Verpflichtung von Jürgen Klopp im Sommer 2008 genommen hat. Von einem abstiegsbedrohten Tabellendreizehnten mit alternden Stars in der Saison 2007/2008 entwickelte er ein völlig neues Konzept mit jungen Spielern, an dessen – vorläufigem – Höhepunkt nach nur drei Jahren harter Arbeit der Meistertitel 2011 stand. Die von Klopp zu seinem Start in Aussicht gestellten und proklamierten “Vollgas-Veranstaltungen” sind inzwischen legendär und werden in Fußball-Deutschland goutiert.
Und nicht nur dem Trainer Jürgen Klopp wird gehuldigt. Die Autoren würdigen auch die Arbeit von Co-Trainer Željko Buvac, ohne den Klopp nur halb so erfolgreich sein kann. Auch Marc Kosicke, Klopps Berater in vielen Lebenslagen, wird ein Abschnitt in der Biographie eingeräumt. Neben Klopp zählt der 40-jährige auch Trainer wie Bruno Labbadia und Holger Stanislawski zu seinen Klienten.
Sehr lesenswert ist auch das Kapitel über den Mensch Jürgen Klopp, insbesondere das Gespräch mit Frank Dopheide, dem geschäftsführenden Gesellschafter der Deutsche Markenarbeit GmbH, bei dem die Marke Borussia Dortmund und die Marke Jürgen Klopp verglichen werden. Beide Marken weisen erstaunliche Parallelen auf und belegen die gute Verbindung zwischen Trainer und Verein.
Ein weiteres Mosaiksteinchen, um den Menschen Jürgen Klopp zu erschließen, legt das Interview mit Cristián Gálvez, der sich zu dessen Persönlichkeit und Außenwirkung äußert und erklärt, woher Klopp seine Faszination und Anziehungskraft bezieht, frei. Gálvez arbeitet als Persönlichkeitstrainer und Buchautor.
Wie schon bei der ersten Biografie über Klopp gilt auch nach dieser Lektüre: ich warte weiterhin sehnlichst auf die “echte” Biografie des Fußballlehrers. Also auf ein Buch, das sich nicht aus Sekundärquellen speist, sondern direkt aus erster Hand berichtet. Doch ob und wenn ja wann es endlich soweit ist, entscheidet nur ein Mensch: Jürgen Klopp.
Mein Fazit
Nach mehr als 220 Seiten hat der Leser der Biografie Jürgen Klopp Echte Liebe einen 360 Grad-Blick auf den Übungsleiter des Deutschen Meisters Borussia Dortmund erhalten. Neben der Laufbahn als Spieler und Trainer gab es Wissenswertes zur Kloppschen Taktik und Medienpräsenz zu lesen.
Dem Herausgeber Elmar Neveling ist es gelungen, mit Matthias Greulich (“Rund”-Autor), Roger Repplinger (Dozent an der Hochschule für Medien und Kommunikation) sowie Saban Uzun drei Autoren zu gewinnen, die nicht nur einen jeweils anderen Schreibstil pflegen, sondern auch vollkommen gegensätzliche Perspektiven auf den Trainer und den Menschen Jürgen Klopp gewähren.
Der Vorteil der Vielseitigkeit der Autorenschar ist auch gleichzeitig der Nachteil. Einige Male stutzte ich beim Lesen des Buches, weil es innerhalb der diversen Kapitel Zeitsprünge von der Gegenwart in die Vergangenheit oder umgekehrt gegeben hat. Das machte es schwierig, das Beschriebene zeitlich einzuordnen, weil immer wieder neu temporär kalibriert werden musste. Hinzu kommt, dass ungewollte Redundanzen in den Texten entstehen, die unschön und unrund wirken.
Dennoch: Jeder, der sich dem Phänomen Jürgen Klopp nähern möchte, ist mit diesem Buch gut beraten und kann sich auf eine kurzweilige Lektüre freuen. Es ist ein ieales Geschenk – nicht nur für schwarz-gelbe Fans -, das bei vielen Fußballfreunden unter dem Weihnachtsbaum liegen wird.
18. Oktober 2012 um 16:26
Auf den ersten Seiten des Buches wird Jürgen Klopp so hingestellt, als ob er alleine für den Erfolg von Borussia Dortmund verantwortlich wäre, das sehe ich ein wenig anders. Der BVB war 2005 fast pleite, da musste man umstrukturieren. Die Top-Stars weg, junge Spieler her. Ein neuer Trainer, einer der sich durchbeißen kann, ein Kumpeltyp, ein großer Bruder-Typ für junge Spieler. Man muss ehrlich sagen, dass der BVB eine tolle Jugendarbeit hatte und aus dieser schöpfen konnte nach der fast Pleite. Jürgen Klopp ist wie erwähnt der große Bruder Typ und hat was aus den jungen gemacht. Sicher trägt also auch er einen großen Verdienst an der jetzigen Situation er hat aber auch gutes Arbeitsmaterial bekommen, wenn man das einmal so ausdrücken will. Mit einer dritten Mannschaft wie es St. Pauli geschafft hat wäre es sicher schwieriger geworden, mit den jungen aus Köln denke ich auch, er hat halt auch glück gehabt, das sind so Dinge, die noch aus der BVB Ära vor Klopp entstanden sind. Aber ich will Jürgen Klopp keineswegs schlecht reden, er ist ein toller Trainer und weiß seine Jungs anzupacken ich bin mir aber auch sicher, dass er es mit beispielsweise Bayern-Spielern, also gestandenen TOP-Stars schwer hätte und eine solchen Erfolg nicht hinbekommen würde. Aber das wäre eine endlose Diskussion. Das Buch regt aber dazu an, das finde ich klasse. Darüber hinaus beschriebt es das Leben, das sportliche Leben von Jürgen Klopp bis ins Detail, was sehr interessant ist. Aber wirklich lohnenswert ist es wegen der schönen Diskussionen, die durch seine Person zustande kommen. Viel Spaß beim Lesen.