Ich habe allergrößten Respekt vor Menschen in sozialen Berufen. Trotz Wechselschichten, unangemessen und unverhältnismäßig niedrige Bezahlung und körperliche sowie seelische Folgen aufgrund der täglichen Berührung mit Krankheiten und Tod gibt es zahlreiche Frauen und Männer, die mit Leidenschaft und Hingabe ihren Beruf ausfüllen.
Von solch einem Leben als Rettungsassistent berichtet das Buch “Sie sehen aber gar nicht aus!”. Der komplette Titel des Buches lautet Sie sehen aber gar nicht gut aus!: Aus dem Leben eines Rettungsassistenten und wurde von Christian Strzoda (“mit einem lautlosen z”) geschrieben.
Der Autor räumt direkt im Vorwort-ähnlichen Kapitel mit dem Irrglauben auf, dass es sich beim Rettungsassistenten um einen “Träger” der Bahre oder einen Krankenfahrer handele. Im Gegensatz zum Rettungssanitäter darf der Rettungsassistent nach seinem Staatsexamen und der zweijährigen Ausbildung invasive Maßnahmen ergreifen, intubieren und auch Medikamente verabreichen.
Auf mehr als 250 Seiten begeben wir uns mit dem Rettungsassistenten und seinem Kollegen im Rettungswagen auf Einsatzfahrt und erleben Geschichten von Leben und Tod, Freude und Trauer, Spaß und Ernst sowie vieles mehr.
Von Penisringen und dem Morbus Kobold
Natürlich dürfen auch die schlüpfrigen Anekdoten nicht fehlen. So wie der Mann mit dem Penisring, dessen amoröses Abenteuer ungeplant in der Notaufnahme geendet ist. Oder der Praktikant im Rettungswagen, der auf Geheiß des RTW-Fahrers eine Hüftprellung eines Patienten als Morbus Kobold, also als Sex mit dem Staubsauger aus der Vorwerk-Serie Kobold am Krankenhaus als Diagnose übermitteln durfte.
Außerdem klärt er den vielfach nicht bekannten Unterschied zwischen “Bahre” und “Trage” auf. Denn nur tote Menschen werden aufgebahrt, während erkrankte und verletzte Patienten mit einer Trage befördert werden. Genüsslich seziert Christian Strzoda die medizinischen Mythen und Märchen aus Action-Serien im Fernsehen wie Medicopter 117 und erläutert, wie die Zuschauer für dumm verkauft werden.
Und so reihen sich Geschichte an Geschichte, von denen die eine traurig endet, weil der Einsatz zu spät kam oder der Patient mit dem Leben abschließen wollte, und von denen die andere freudig endet, weil ein Kind dank der Hilfe der Retter wohlbehalten auf die Welt gebracht werden konnte.
Mein Fazit
Die Erlebnisberichte sind eine wissenswerte und unterhaltsame Mischung aus spannenden, skurrilen und traurigen Einsätzen eines Rettungsassisten. Die medizinischen Hintergründe und technischen Prozesse im Rettungs-Alltag sind dosiert in die Gesichten eingearbeitet und sorgen neben Unterhaltung auch für eine Erweiterung des Wissenshorizontes.
Teilweise sind die Schilderungen der Einsätze sehr extrem und sehr detailliert. Wenn ich auch kein Kind von Traurigkeit bin und durchaus den einen oder anderen Splatter-Film geschaut habe, ließen mich die Berichte von offenen Brüchen, Einschussstellen von Projektilen und in Verkehrsunfällen schwer verletzten Körper das Blut regelrecht in den Adern gefriereren. Schließlich handelte es sich um Beschreibungen real erlebter Situationen!
Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Ich war von den Erzählungen so gefangen, dass ich das Buch fast in einem Rutsch durchgelesen habe und regelrecht enttäuscht gewesen bin, als die letzte Seite gelesen war.
Seit der Lektüre von “Sie sehen aber gar nicht gut aus!” ist mein ohnehin schon großer Respekt und meine Hochachtung vor der Berufsgruppe der Rettungskräfte noch weiter gestiegen.