Ein abendfüllernder Film nur über ein großes Stück Beton? Gibt es nicht? Gibt es doch.
Denn Wir die Wand widmet der Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion – nur keine echten Fans sprechen vom Signal Iduna Park – einen kompletten Film, der zur Premiere sogar in ausgewählten Kinos in ganz Deutschland gelaufen ist.
Inzwischen gibt es den Film von Klaus Martens auch als DVD zu kaufen, nachdem der Streifen am 3. Oktober 2013 im WDR gelaufen ist.
Schon der Beginn der Dokumentation sorgt für erste Gänsehaut-Momente. Nach und nach füllt sich die mehr als 25.000 Menschen fassende Südtribüne und das Lied “Unser ganzes Leben, unser ganzer Stolz” entwickelt sich zu einem stimmgewaltigen Organ.
Im weiteren Verlauf werden wir Augenzeuge eines Bundesliga-Spieltages. Der Autor begleitet elf höchst unterschiedliche BVB-Fans beim Duell gegen Mainz am 20. April 2013: den ehemaligen Kumpel aus dem Bergwerk, den treuen Fan Borsti, einen schwulen Rainbow-Borussen, eine Frührentnerin, eine Prostituierte, einen Akademiker, den “Held von Berlin” Norbert Dickel, Anhänger der Ultra-Gruppierung “The Unity” und viele mehr.
Angefangen mit der Begrüßung von Norbert Dickel, dem “You’ll never walk alone” vor dem Anpfiff aus zehntausenden Kehlen – der zweite Gänsehaut-Moment – über die Vorstellung der Mannschaft bis zum Einmarsch der Dortmunder Helden unter “Heja BVB”-Gesang.
Untermalt werden die stimmungsvollen Momenten von Kamerafahrten über die komplette Breite der Südtribüne – Tränen der Ergriffenheit stehen nicht nur den eingefleischten Schwarz-Gelben bei diesen Bildern in den Augen.
Dann ertönt der Anpfiff und die elf schwarz-gelben Protagonisten auf den Rängen werden begleitet. Wie beim Jubel zum 1:0 nach nur 33 Sekunden von Marco Reus. Wenn die Südtribüne bebt und sich tausende Menschen schunkelnd in den Armen liegen, wird deutlich, wieso die größte Stehplatztribüne Deutschland so einzigartig ist.
Es dauert bis zur 87. Spielminute, bis der knappe Vorsprung dank Robert Lewandowski auf 2:0 ausgebaut wird, einer gemeinschaftlichen Erleichterung weicht und kurze Zeit später auch der Endstand ist. Doch das Ergebnis ist bei Wir die Wand sekundär. Hier zählen nur die treuen Fans.
Alle Protagonisten lassen uns eineinhalb Stunden an ihrem Leben teilhaben, in dem sich so viel um Borussia Dortmund dreht. Doch es geht nicht nur um das runde Leder. Die Gesprächspartner lassen uns an ihrem Leben, ihrer Freude und ihren nicht so schönen Momenten teilhaben.
Die gelbe Wand auf der Süd ist ein Abbild der Gesellschaft. Der Banker steht neben dem Hartz IVer, der Jugendliche neben dem Senior, der Sonderschüler neben dem Studenten, die Mutter neben der Tochter. Unabhängig von Einkommensklasse, unabhängig von sozialer Herkunft eint sie die Liebe zur Dortmunder Borussia.
Übrigens: es gibt nicht eine Minute Bundesliga-Fußball zwischen dem BVB und Mainz zu sehen. Einzig einen kleiner Blick auf die Ersatzspieler gibt Martens in der zweiten Halbzeit zum Besten – das war es aber auch schon.
Damit beweist der Regisseur, wer die wahren Hauptdarsteller im Westfalenstadion sind: die schwarz-gelben Borussen auf der Dortmunder Südtribüne.