Nicht erst seit den Enthüllungen von Edward Snowden zur NSA und den Abhör-Skandalen rund um Angela Merkel – und Millionen von Bundesbürgern – ist die Sensibilität in Sachen Vertraulichkeit von Daten exponentiell gestiegen.
Doch trotz dieser Enthüllungen gehen viele Menschen weiterhin erstaunlich offen und sorglos mit ihren privaten Daten um und füttern soziale Medien wie Facebook und Twitter tagein, tagaus mit unzähligen Bits und Bytes, die – schlau zusammengesetzt und ausgewertet – mehr über ihren Besitzer wissen und aussagen, als ihm lieb sein kann.
Diese Meinung vertritt Roman Maria Koidl, der die digitale Elite nicht nur aus diesem Grund als digital naiv bezeichnet. Denn die digitalen Spuren, die Menschen rund um die Uhr hinterlassen, werden auf Ewigkeiten gespeichert und können das persönliche Verhalten jedes Einzelnen nach kurzer Zeit wie die aktuelle Wettervorhersage ableiten.
In dem “Besinnungsaufsatz” WebAttack: Der Staat als Stalker beschreibt der Internetberater von Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf 140 Seiten zuerst seine Risiko-Agenda 2030 und dann die Folgen der unbekümmerten Preisgabe des Privaten. Der Publizist befürchtet die totale Überwachung und ungeahnte Dimensionen der Cyberkriminalität.
Im Anschluss wird dokumentiert, wie sich die virtuelle Welt zu dem entwickelt hat, was sie heute darstellt. Auch die drei Megatrends der nächsten zehn Jahre werden vorgestellt: Big Data und das Internet der Dinge, Soziale Medien sowie die E-Volution des Handels werden die Zeit bis 2023 aus seiner Sicht prägen.
Zum Ende des Essay geht es um das virtuelle Ich des Menschen im Netz, das einhergeht mit der Frage nach dessen Auswirkungen auf das reale Leben. Roman Maria Koidl kritisiert, dass die junge Gesellschaft “Meinungsäußerung für Mitsprache hält und Freiheit mit Freizügigkeit verwechselt.”
Wenn mir der Aufsatz Koidls bisweilen stark überzeichnet und digital-post-apokalyptisch erscheint: das Buch aus dem Goldmann-Verlag hat nicht unrecht mit den aufgeworfenen Thesen und hat mir an mehreren Stellen viele Aspekte zur Reflexion geliefert.
Die spannende Frage ist, wie die Menschen den Spagat zwischen der Preisgabe der persönlichen Daten und Informationen von “so viel wie nötig” und “so wenig wie möglich” konfliktfrei schaffen kann. Denn die digitale Revolution ist in vielen Lebensbereichen omnipräsent und nur bedingt reversibel.
In einfacher, leicht verständlicher Sprache gelingt es Koidl, technisch geprägt Prozesse in unterhaltsamer Art auf den Punkt zu bringen und die Auswirkungen von Big Data und Social Media in WebAttack: Der Staat als Stalker anschaulich zu erklären.
Der Autor hebt nicht den belehrenden Zeigefinger, sondern erläutert die Bedeutung und die Folgen eines allzu sorglosen Verhaltens im Umgang mit unseren persönlichen Daten. Sei es beim Twittern, beim Online-Shopping oder beim E-Mail-Schreiben: überall hinterlassen wir digitale Spuren, die nicht so schnell verschwinden.