Die Bundesliga wird in ihrer fünfzigsten Spielzeit von Büchern zum Jubiläum regelrecht überschwemmt.
Eins haben die meisten Neuerscheinungen allerdings gemeinsam. Sie präsentieren die ewig gleichen Geschichten von damals und heute, berichten von den wilden Anfängen über die Skandale der 1970er Jahren bis hin zur Kommerzialisierung der Neuzeit. Alter Wein in neuen Schläuchen sozusagen.
Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga von Ronald Reng ist anders. Ganz anders. Und das macht das Buch zu etwas ganz Besonderem. Denn hier stehen nicht Ergebnisse, Deutsche Meister, Statistik-Friedhöfe um Torjäger, gelbe Karten und Platzverweise sowie Tränen und Triumphe im Vordergrund.
In diesem Buch vom Piper Verlag webt der Schriftsteller fünf Dekaden im Oberhaus in das Leben eines Menschen ein, für den die Bundesliga Zeit seines Lebens einen riesengroßen Stellenwert gehabt hat.
Wir begleiten Heinz Höher von Beginn seiner Kindheit in Leverkusen mit Einsätzen für Bayer 04 und den Meidericher SV zum Start der Bundesliga über den Wechsel zum niederklassigen VfL Bochum, bei dem er erst als Spieler und als Assistenztrainer landet, ehe er nach einem Intermezzo im benachbarten Essen und dem Bundesligaskandal 1971 die erste “echte” Trainer-Tätigkeit beim VfL Bochum aufnimmt.
Sieben Jahre lang betreut er die Blau-Weißen und etabliert in dieser Zeit den Nimbus der Unabsteigbaren, ehe 1979 der Wechsel zum MSV Duisburg ansteht. Nach Bochum Duisburg, Düsseldorf, griechische Klubs und Achtziger Nürnberg inklusive Rebellion der Spieler beim FCN und dem Aufbau der blutjungen Elf, die erst den Aufstieg in die erste Liga schafft und dann sogar in den Europacup einzieht.
Knapp fünf Jahre später wechselt Heinz Höher vom Trainer- auf den Managerstuhl und findet nur kurz Befriedigung. Der Unfalltod seines Sohnes Markus im Mai 1990 bedeutet nicht nur privat eine Zäsur. Der Leverkusener sucht und findet den Trost im Alkohol und kapselt sich komplett ab – mit verheerenden Folgen für seine berufliche Laufbahn.
Mit 52 Jahren scheint nicht nur seine fußballerische, sondern auch seine private Perspektive am Ende angelangt zu sein. Doch mit der Arbeit als Jugendtrainer in Nürnberg und der Entwicklung junger Talente zu Profifußballern findet Heinz Höher einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit: Spielern wie Juri Judt gilt seine ganze Aufmerksamkeit, die den Sprung in die erste Bundesliga geschafft haben.
Der Fußball und seine schönen und schrecklichen Seiten ist auf 480 Seiten der primäre Aspekt. Doch auch der Mensch Heinz Höher wird beinahe biografisch seziert. Der Leser lernt den 1938 Geborenen als sehr selbstkritischen jungen Kicker kennen, der trotz guter Spieler selten mit seiner eigenen Leistung zufrieden ist.
Dazu erzählt Roland Reng viel über die jeweiligen Epoche zur damaligen Zeit: vom Leben der Menschen, von der Politik und der Gesellschaft und schafft damit gleichzeitig ein zeitgenössisches Porträt über mehrere Jahrzehnte.
Der Sportjournalist Reng hat mit Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga ein Buch geschaffen, das von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Es kam nicht selten vor, dass ich vierzig, fünfzig Seiten innerhalb kürzester Zeit am Stück regelrecht verschlungen habe, weil die “Cliffhanger” am Ende eines Kapitels so viel Lust auf’s unbedingt Weiterlesen gemacht haben.
Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga ist das Lebensalbum eines ganz besonderen Menschen, den die Bundesliga geprägt hat wie er selbst die Bundesliga geprägt und einige Geschichten zu dessen Beliebtheit beigesteuert hat.
Spieltage: Die andere Geschichte ist ein Sachbuch und eine Biografie, ein Roman und eine Sammlung von Anekdoten. Es ist ein Werk, das alte Mythen entzaubert und neue Geschichten erzählt, die bisher niemand berichtet hat.
Spieltage: Die andere Geschichte der Bundesliga ist für mich das wichtigste Buch zum fünfzigsten Geburtstag der Fußball-Bundesliga.
Spieltage als Hörbuch mit Christian Ulmen
Nicht minder interessant und genauso empfehlenswert wie die literarische Vorlage ist Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga gelesen von Christian Ulmen:
Ronald Reng im Gespräch mit David Nienhaus und Francois Duchateau
Wer mehr über Ronald Reng und sein Buch erfahren möchte, dem empfehle ich das Gespräch mit David Nienhaus und Francois Duchateau:
Jahresrückblick mit Autor Ronald Reng – 2013, ein guter Jahrgang
22. Januar 2014 um 08:54
Ich kann mich nur anschließen. Das ist eines der grandiosesten Bücher, die ich je über Fußball gelesen hab.