Nicht erst seit dem Steuer-Skandal gehen die Meinungen über den ehemaligen Präsidenten, Manager und Spieler des FC Bayern München diametral auseinander.
Die einen sehen in ihm den genialen Strategen, sportlichen Meinungsführer und gewieften Manager, die anderen verteufeln Hoeneß als skrupellosen Geschäftemacher, Kapitalisten und Unruhestifter.
Die Wahrheit liegt so oft in der Mitte. Der Fußballexperte Christoph Bausenwein möchte mit Das Prinzip Uli Hoeneß. Ein Leben in Widersprüchen eben jene Widersprüche auflösen und das Leben und die Persönlichkeit eines Mannes, der seit jeher stark polarisiert, näher ergründen.
Die inzwischen achte Auflage des Buches ist um ein zwölftes Kapitel ergänzt worden, das sich ausschließlich um die Steuer-Vergehen des ehemaligen Gutmenschen dreht. Jene Steuer-Vergehen, die am 14. März 2014 zur Verurteilung des Müncheners und einer dreieinhalbjährigen Gefängnisstrafe geführt haben.
Das erste Kapitel widmet sich den fußballerischen Anfängen und dem Aufstieg in den Olymp Europas, der mit dem Fehlschuss von Belgrad im EM-Finale 1976 seinen Niedergang gefunden hat. Anschließend geht es um den umtriebigen Macher Hoeneß, der im Alter von 27 Jahren die Fußballschuhe an den Nagel hängen muss und nach einem Jahr in Nürnberg am 1. Mai 1979 ins kaufmännische Metier beim FC Bayern wechselt.
Insbesondere Robert Schwan hat den jungen Manager zu Beginn gefördert und als einzig wahren Nachfolger seiner selbst angesehen und entsprechend positioniert. Doch auch die sportlichen Aspekte in der Zusammenarbeit des Managers bleiben nicht außen vor. Bausenwein analysiert die nicht konfliktfreien Kombinationen Hoeneß – Lattek und Hoeneß – Magath genauso wie die harmonische Beziehung Hoeneß – Hitzfeld.
Mit seinem Start an der Isar im Frühjahr 1979 begann ein Modernisierungs- und Professionalisierungsprozess, der den Fußball in den folgenden Jahren nachhaltig und intensiv verändern sollte. Und Uli Hoeneß stand dabei in der ersten Reihe dieser Bewegung und war oftmals ihr Navigator.
Dabei kamen Hoeneß neben seinem fußballerischen Sachverstand und seiner finanziellen Unabhängigkeit vor allem die totale Identifikation mit dem Verein zugute. Er lebte für den Verein FCB und er war damit gleichzeitig einer der wichtigsten Männer des Vereins.
Mister Bayern entwickelte im Laufe der Jahre eine perfekte Mischung aus Fußball- und Wirtschaftskompetenz, die mit einem Schuss mittelständischer Bodenständigkeit und einem Riecher für innovativen Geschäftssinn veredelt worden ist. Angefangen mit einem Umsatz von 12 Millionen DM Ende der siebziger Jahre entwickelte er den FC zu einem Wirtschaftsunternehmen mit einem Umsatz von 400 Millionen Euro im Jahre 2009.
Im nationalen Wettbewerb waren die Rot-Weißen dreißig Jahre lang dominierend in Bundesliga und DFB-Pokal. Doch eines gelang dem Schwaben in seiner drei Jahrzehnte währenden Amtszeit nicht: den FC Bayern auch international sowohl sportlich als auch finanziell in die Bel Etage der Topklubs zu hieven.
Natürlich werden nicht nur Hohelieder auf den streitbaren Macher gesungen. Die Aufzählung einer Transfer-Flops ist noch aufschlussreicher als die Top-Transfers. Die Liste macht deutlich, dass auch ein Uli Hoeneß nicht frei von Fehlern ist.
Apropos nicht frei von Fehlern. Ein weiteres Kapitel widmet sich Hoeneß’ Menschenführung. Als ein kompromissloser Aussortierer war der Manager genauso gefürchtet wie in seiner Rolle als Druck ausübender Einpeitscher, für den eine mangelnde und lasche Berufsauffassung ein gefundenes Fressen gewesen ist.
Die Entwicklung des Merchandising und die kommerzielle Vermarktung des FC Bayern generell wird in einem kompletten Kapitel analysiert, genauso wie die mediale Entwicklung von den achtziger Jahren bis heute, die von Hoeneß maßgeblich mitgestaltet worden ist und neben vielen Vorteilen auch gewichtige Nachteile in Krisen-Situationen (Stichwörter: FC Hollywood und Affäre Daum) mit sich gebracht hat und den Manager mehrmals an den Rand der psychischen Erschöpfung bringen sollte.
Den Manager Hoeneß gibt es seit dem 27. November 2009 nicht mehr. Damals wechselte der Macher aus dem operativen Geschäft auf den Sessel des Präsidenten.
Während er in seiner Zeit als aktiver Fußballer und umtriebiger Manager fast unentwegt auf der Sonnenseite des Lebens gestanden hat, zogen die dunklen Wolken im Frühjahr 2013 mit dem Bericht im Nachrichtenmagazin Focus auf.
Akribisch listet Christoph Bausenwein die Ereignisse vom 20. April 2012 auf. Nach und nach entsteht das Bild eines Uli Hoeneß, der ohne Not und völlig eigenständig seinen Ruf ruiniert hat. Der fernab jeglicher Vernunft in einer Parallelwelt des Zockens an der Börse gelebt hat und der sich bis zur Urteilsverkündung im März 2014 für unangreifbar gehalten hat.
Im Verlauf der vier Verhandlungstage wuchs die Steuerschuld auf unglaubliche 27,2 Millionen an und führte schlussendlich zu einer Verurteilung Hoeneß’ von drei Jahren und sechs Monaten Haft, die der Manager ohne Revision akzeptiert hat.
Bausenweins Biografie ist keine von Uli Hoeneß autorisierte Biografie. Vielmehr bedient sich der Journalist der unzähligen Primär- und Sekundärquellen, die es über den umtriebigen Manager, der die Marke FC Bayern München ins Leben gerufen hat, gibt.
Dennoch zeichnet Bausenwein ein umfassendes und detailliertes Bild eines Mannes, der immer vom Ehrgeiz angetrieben war und nach sportlichen Höhenflügen in jungen Jahren im wirtschaftlichen Bereich den FCB in ganz neue, bislang unerreichte Sphären katapultiert hat.
Es ist ein diabolischer Fingerzeig des wechselvollen Lebens des Machtmenschen Hoeneß, dass er ausgerechnet auf dem Gipfel des sportlichen Erfolgs (Triple 2013) seine größte persönliche Niederlage erlitten hat.
Das Prinzip Uli Hoeneß. Ein Leben in Widersprüchen hat seinen vorerst dramatischsten Höhepunkt gefunden.