Viele Menschen leiden unter Ängsten und Schüchternheit. Bei den meisten von ihnen ist diese Angst allerdings nur wenig ausgeprägt.
Es geht nicht um ein wenig Lampenfieber vor eine Rede zu einem Geburtstag oder Schüchternheit bei dem ersten Date. Es geht um mehr. Und bei einigen Menschen führen diese sozialen Ängste zu Phobien und Krankheiten.
Das Therapeuten-Paar Barbara und Gregory Markway haben ein Selbsthilfeprogramm entwickelt, das jetzt in Buchform vorliegt und das den Betroffenen helfen soll, Schritt für Schritt aus dem Dilemma zu entkommen und ein entspannteres Leben führen zu können.
Am Anfang von Frei von Angst und Schüchternheit werden die medizinischen und körperlichen Hintergründe der sozialen Ängste beleuchtet und erklärt. Die beiden erklären, wie soziale Ängste entstehen, wie sich die Ausprägungen darstellen und wieso nicht einfach Medikamente geschluckt werden können, um die Heilung zu initiieren.
Vermeidung ist keine Lösung
Gleich zu Beginn räumen die Autoren mit einer fatalen Fehleinschätzung auf: Vermeidung ist keine Lösung. Im Gegenteil, das Vermeiden von angsteinflößenden Situationen verschlimmert die eigene Lage noch stärker und führt in einen Teufelskreis, aus dem sich nur schwer befreit werden kann.
An späterer Stelle, in Kapitel 8, geht das Ehepaar auf das Besiegen der Vermeidungsstrategie dezidiert ein. Die als Konfrontationstherapie bekannte Methode kann insbesondere bei sozialen Ängsten hilfreich sein.
Nach siebzig Seiten beginnt der arbeitsreiche Teil des Buches. Denn wer gedacht hat, durch Lesen eines Buches ändert sich das Leben, der irrt gewaltig. Nur wer stetig und mit festem Willen an sich arbeitet, kann die soziale Phobie bekämpfen. Deshalb wäre ein Untertitel “Arbeitsbuch zum angstfreien Leben” für das Taschenbuch durchaus angemessen.
Es geht nur mit Selbstakzeptanz
Der erste Weg zur Verbesserung der hemmenden und krank machenden Situation ist die Selbstakzeptanz. Das bedeutet, sich vorurteilsfrei und ohne Wertung einzugestehen, dass etwas so ist, wie es ist. Und zwar ohne Wenn und Aber.
Die Reise zur Selbstakzeptanz ist ein langer und ein beschwerlicher Weg. Doch bei der Ankunft tritt Erleichterung ein. Denn der erste Schritt ist gemacht. Der Philosoph T. D. Suzuki hat treffend formuliert:
Solange wir dem Leiden nicht zustimmen, können wir uns vom Leiden nicht befreien.
Um diese Phase der Selbstakzeptanz zu erreichen, empfehlen Barbara und Gregory Markway einen Aktionsplan, der schrittweise zum Ziel führt. Mit dabei sind schriftliche Übungen und Elemente der Auto-Suggestion.
Im nächsten Schritt werden der Prozess der Veränderung und der Weg dorthin beschrieben. Der Leser lernt, dass die Veränderung nicht von jetzt auf gleich passiert, sondern sechs Phasen (“die sechs Stufen der Veränderung”) durchläuft.
Es geht ans Eingemachte
Mit diesem Wissen werden auch die nächsten Etappen bewältigt. Der Sport, die Ernährung und die Atmung sind ein wichtiger Faktor, um die Angst in den Griff zu bekommen und Selbstvertrauen zu gewinnen. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Zwerchfellatmung zu, die detailliert beschrieben wird und anschließend geübt werden kann.
Jetzt geht es ans Eingemachte. Die Autoren erklären den Unterschied zwischen positivem und realistischem Denken und animieren dazu, sich letzteres anzueignen und sich eine entsprechende Grundeinstellung anzueignen.
Anschließend wird die Therapie mit pflanzlichen und nicht-pflanzlichen Medikamenten ausgeführt sowie ein Ausflug in die Spiritualität unternommen – ein Bereich, der für mich wenig sachlichen Bezug hat und den ich geflissentlich nur überflogen habe.
Am Ende des Buches erhalten Eltern mit hyper-schüchternen und zurückhaltenden Kindern Hinweise zum Umgang mit den Verhaltensweisen und Tipps zum “Auftauen” der Kleinen, ehe ein Epilog zum wichtigsten Thema folgt: dem Üben und stetigen Ausprobieren und an sich arbeiten.
Üben, üben, üben
Das Buch lebt nicht nur von den zahlreichen Übungen, Tipps und Anleitungen, sondern auch von der einfühlsamen Schreibe der beiden Autoren. Die Theorie in dem Buch aus dem Beltz Verlag wird nicht trocken vermittelt, sondern durch zahlreiche Beispiele aus dem Alltag der Therapeuten und ihrem Privatleben angereichert.
Zusätzlich gibt es Einstufungs- und Selbsttests, um sich selbst im Koordinatensystem der sozialen Ängste einzuordnen und Standpunkte zu erkennen. Abgerundet wird Frei von Angst und Schüchternheit: Soziale Ängste besiegen – ein Selbsthilfeprogramm mit Checklisten und weiterführenden Literaturhinweisen.
Mit diesem Baukasten in der Hand können die ersten erfolgreichen Schritte zu einem angstfreien Leben gestartet werden.