Klingt das nicht wunderbar? Es gibt ein einziges Profil für alle Online-Dienste im Netz, ein Profil für alle Zahlungen an und von Banken, ein Profil, das untrennbar mit dem echten Namen und der eigenen Identität verbunden ist. Ein Profil mit nur einem Passwort, das alle Online-Aktivitäten unter einem Dach bündelt und das Leben online wie offline revolutioniert.
Der dahinter stehende Dienst nennt sich TruYou und wurde von dem Circle entwickelt, einem US-amerikanischen Unternehmen, das in den vergangenen vier Jahren jedes Mal zum beliebtesten Unternehmen der Welt gewählt worden ist.
Dabei ist TruYou nur eine von unzähligen Apps, Diensten, Programmen und Erfindungen, die von den mehr als zehntausend Angestellten in der Zentrale des Circle entwickelt werden. Diese Anwendungen tangieren jeden Lebensbereich ihrer Nutzer und haben das Ziel, das Leben der Menschen jeden Tag ein bisschen einfacher zu gestalten.
Beim Circle arbeiten die besten Erfinder der Welt, die besten Programmierer und die besten Köpfe der kreativen Branchen und haben die besten Arbeitsbedingungen. Ihr Betätigungsfeld reicht dabei quer durch alle Wissenschaften in alle Lebensbereiche und Forschungsfelder. Ihr Ziel: das Leben jeden Tag ein bisschen leichter und angenehmer zu machen.
Das klingt alles genauso fiktional wie realistisch? Das ist es auch. Denn der Roman Der Circle von Dave Eggers beschäftigt sich mit jener Firma, die nicht ungewollt Ähnlichkeiten mit den Großen des Netz-Business aufweist: Google und Facebook.
Die Protagonistin in dem Roman ist die ehemalige Elite-Studentin Mae, die nach eineinhalb öden Berufsjahren bei einem Energieversorger von ihrer früheren Kommilitonin Annie zum Circle gelotst wird und dort in der Customer Experience die ersten beruflichen Schritte in der genauso angesagten wie rätselhaften Firma unternimmt.
Der Leser begleitet die junge Frau bei ihrer genauso spannenden wie auch erschreckenden beruflichen Reise beim Circle. Ihre Erlebnisse geben einen Einblick in eine von Technik und Überwachung dominierte Welt, die in vielerlei Hinsicht alles andere als fiktional ist. Denn viele der beschriebenen Szenarien sind heute dank Smartphone, location based services und Social Media gang und gäbe.
Das 560 Seiten starke Buch liest sich vom Anfang bis zum Ende spannend. Allerdings ist die Handlung genauso vorhersehbar wie auch die Charaktere stereotyp sind. Auf der einen Seite Mae und Annie, die den digitalen Fortschritt und die Errungenschaften vehement verteidigen und auf der anderen Seite vermeintliche Offliner wie Maes Ex-Freund Mercer, der ihr mehrfach den Spiegel ob ihrer obsessiven digitalen Sucht vorhält.
Dennoch ist Der Circle absolut lesenswert. Allein aufgrund des spannenden Plots und auch als historisches Dokument. Ich bin gespannt, wie sich die Handlung in fünf, zehn oder fünfzehn Jahren in den digitalen Kontext einordnet.
Denn man muss kein ausgewiesener Gegner der digitalen Überwachung sein, um die geschilderten Szenarien als plausibel und nicht an den Haaren herbeigezogen zu erkennen.
Ein Lob gebührt auch Ulrike Wasel und Klaus Timmermann für die Übersetzung des US-amerikanischen Romans. Die Sprache ist lebendig und spannungsvoll; auch technische Sachverhalte sind von beiden Übersetzern in die deutsche Sprache überführt worden.