Zwei Monate nach dem Saisonbeginn fällt die Bilanz bei Borussia Dortmund zweischneidig aus.
Mit einem Pfui und zwei Hui ließe sich ein vorläufiges Fazit auf einen Nenner bringen. Während die Champions League und der DFB-Pokal bislang souverän gemeistert worden sind, ist das Abschneiden in der Bundesliga rein an den Ergebnissen gemessen fatal: ein ungenügender Platz 15 steht nach neun Runden auf dem Papier.
Borussia und die Bundesliga – schlimmer geht immer
Nachdem die ersten fünf Spiele in der Bundesliga alles andere als gut gelaufen sind, wurde nach der Pleite im Revierderby beim 1:2 in der Turnhalle (siehe auch: Don’t call it Krise!) von einigen bereits das böse K-Wort in den Mund genommen (siehe auch: Borussia Dortmund und die Krise in der Bundesliga).
Am siebten Spieltag sollte mit dem Schwung aus der Champions League der zweite Heimsieg gelingen. Der Hamburger SV war bis dato noch sieglos und hatte erst ein mickriges Tor erzielt. Schon Tage vor dem Spiel gegen den Tabellenletzten Hamburger SV habe ich schwadroniert, dass der BVB ein guter Aufbaugegner sei.
Die Lehre aus der Vergangenheit – unter anderem ein peinliches 1:4 , bei dem Liam und ich live im Stadion gewesen sind – hat das gezeigt. Und in dieser Hinsicht sollte mich die Borussia – Ironie-Modus an! – nicht enttäuschen: 0:1 vor eigenem Publikum hieß es nach neunzig Minuten und die Ratlosigkeit wurde größer und größer – man könnte auch sagen: der BVB vermasselt die Rehabilitation.
Allerdings ließen die Fans nichts auf ihren Verein kommen und feierten die Mannschaft aus 25.000 Kehlen auf der Südtribüne noch lange nach dem deprimierenden Schlusspfiff. Dies veranlasste die britische BBC zu einem Text, der sicherlich nicht nur bei mir jede Menge Stolz ausgelöst hat. Doch die Verbundenheit der Fans bröckelt und bröckelt.
Trainer Jürgen Klopp hatte nach der Pleite gegen den Hamburger SV versprochen, dass es nach der Länderspielpause am achten Spieltag “einen zweiten Saisonstart des BVB” geben werde. Der Optimismus speiste sich unter anderem aus der Rückkehr von drei Stars aus dem (Langzeit-) Lazarett: Marco Reus, Henrikh Mkhitaryan und Ikay Gündogan (430 Tage seit seinem letzten Pflichtspiel für Schwarz-Gelb) standen gegen Aufsteiger Köln in der Startelf.
Doch Klopp konnte sein Versprechen nicht einlösen. Trotz mehr als 70 Prozent Ballbesitz und etlichen Torchancen setzte es mit einem 1:2 die fünfte Saisonniederlage im achten Spiel. Borussia fand sich damit auf dem 14. Tabellenrang wieder (siehe auch: Dortmund steckt fest)
Gegen Hannover 96 musste im Westfalenstadion unbedingt ein Sieg her, doch erneut scheiterten die Borussen. Wie schon vor zwei Wochen gegen den Hamburger SV ging das Spiel mit 0:1 verloren. Wiederum hatten die Hausherren Chancen wie am Fließband und wieder fiel der Gegentreffer und wieder verfiel der BVB in eine Lethargie – unfähig, das Spiel noch zu drehen. (siehe auch: Willkommen im Abstiegskampf: Nichts geht mehr beim taumelnden BVB und Jetzt hilft nur noch der Voodoo-Priester).
Sylvia fragt sich: Der BVB in der Krise: Too big to fail? Und über die Krise in der Liga habe ich bereits am Montag ausführlich geschrieben: Abstiegskampf statt Titelkampf: Borussia Dortmund und die Krise in der Liga.
Und auch die Experten von Spielverlagerung.de versuchen sich an der Ursachenforschung: Die schlechteste beste Mannschaft aller Zeiten.
Zweite Runde im DFB-Pokal souverän gemeistert
Am vergangenen Dienstag stand die zweite Runde im DFB-Pokal beim Zweitligisten FC St. Pauli auf dem Programm.
Beim Spiel in Hamburg zeigte der BVB wieder sein Pokalgesicht. Nach einer insbesondere in Halbzeit eins deutlich überlegenen Partie ließen die Gäste den St. Paulianern keine Chance und zogen mit einem nie gefährdeten 3:0 (2:0) in das Achtelfinale ein.
Ciro Immobile kam am Millerntor zu seinem ersten Einsatz und markierte auch den ersten Treffer. Der Italiener zeigte anschließend auch als Vorbereiter seine Stärke, als er Marco Reus’ 2:0 mit Übersicht auflegen konnte. Shinji Kagawa nutzte kurz vor Schluss eine verunglückte Torwart-Aktion zum Endstand.
In der Runde der letzten 16 Mannschaften spielen die Schwarz-Gelben Anfang März 2015 beim Drittligisten Dynamo Dresden. Schon im Herbst 2011 gab es diese Paarung – und am Ende der Saison stand der Double-Sieg der Dortmunder Borussia.
Ein gutes Omen?
Optimale Ausbeute in der Champions League
Im zweiten Vorrundenspiel beim RSC Anderlecht zeigte der BVB trotz magerer sieben Punkte und Platz zwölf in der Liga wieder sein zweites Gesicht.
Gegen den bis dahin seit elf Spielen ungeschlagenen belgischen Meister gab es einen ungefährdeten 3:0-Sieg. Schon nach drei Minuten konnte Ciro Immobile einnetzen und das zweitschnellste Borussia-Tor in der Champions League-Historie erzielen (siehe auch: Königsklasse: Lewandowskis Erben schlagen zu).
Der eingewechselte Adrian Ramos sorgte mit einem Doppelpack nach dem Seitenwechsel für das deutliche Ergebnis, der die Bilanz auf sechs Punkte und 5:0 Tore schrauben konnte. Die drei Stürmer-Tore weckten Hoffnung auf eine Wende am darauffolgenden Samstag in der Bundesliga gegen den HSV, wenn auch in der Abwehrreihe die eine oder andere Instabilität genervt hat (bekanntlich blieb diese Hoffnung unerfüllt).
Am dritten Spieltag der Champions League zeigte der BVB in Istanbul erneut sein zweites Gesicht nach drei Niederlagen in der Liga in Serie. In einer packenden Begegnung ließen zweimal Pierre-Emerick Aubameyang, Marco Reus und Adrian Ramos den Türken keine Chance (siehe auch: Der seltsame Fall des zweiten Gesichts).
Dortmund war im Vergleich zu den Pleiten, Pech und Pannen im Bundesliga-Alltag nicht wiederzuerkennen. Mit Spielwitz und einer konsequenten Chancenauswertung lief die Partie schon früh in nur eine Richtung und sorgte für entspannte Gesichter bei den Schwarz-Gelben.
Der deutliche Sieg war nicht nur der bisher höchste Sieg in der Königsklasse. Mit neun Punkten aus drei Spielen und 9:0 Toren stellt Borussia auch das erfolgreichste Team, das mit einem Sieg am 4. November gegen Galatasaray bereits vorzeitig und früh wie nie das Ticket für das Achtelfinale lösen kann.
Misere, Mini-Krise, Krise und düstere Prophezeiungen
Nach dem 1:2 in Köln gab es große Aufregung, weil sich Coach Klopp – ungewollt? – im Falle eines Fortgangs der Misere selbst zur Disposition gestellt haben soll. Als sich nach der Pleite auch noch im “Forum des Todes” Stimmen mehrten, dass der Trainer die Mannschaft nicht erreichen könne, war ich sprachlos.
Natürlich läuft es in der Liga derzeit alles andere als gut, natürlich sind die individuellen Fehler vermeintlicher Führungsspieler wie Mats Hummels und Roman Weidenfeller haarsträubend. Und natürlich können weder Ciro Immobile noch Adrian Ramos den Weltklasse-Stürmer 1:1 ersetzen. Es braucht seine Zeit.
Jetzt ist Geduld und Durchhaltevermögen gefragt. Bei den Verantwortlichen im Verein und noch viel mehr bei den Anhängern im Stadion und vor den Fernsehern. Denn so schnell wird sich der BVB nicht aus dem Tabellenkeller befreien. Dafür spielen die Konkurrenten zu konstant.
Doch genauso wichtig wie Durchhaltevermögen und Geduld sind Siege. Denn Siege sind die Essenz des Spiels, das Lebenselixier der Spieler und des Trainers. Einzig und allein an Siegen wird der sportliche Erfolg gemessen. Und in dieser Hinsicht sind die Borussen in der Bringschuld.
So düster das bisherige Abschneiden in der Liga auch ist, umso schillernder und brillanter ist der Auftritt in der Königsklasse. Wieso das so ist, hat Frank nebenan treffend analysiert: Die Gründe für Borussias Gala-Gala – und was das für die Liga bedeutet.
Sind die Saisonziele zu korrigieren?
Bis zur Winterpause sind noch acht Spieltage zu absolvieren. Der BVB kann also maximal 24 Punkte holen, wenn alle Begegnungen gewonnen werden – wovon derzeit definitiv nicht von ausgegangen werden kann.
Schließlich stehen die dicken Brocken noch vor der Tür: Bayern München an Allerheiligen, eine Woche später Borussia Mönchengladbach und andere Hochkaräter wie die TSG Hoffenheim und der VfL Wolfsburg.
Im besten Fall gibt es also bis Weihnachten Siege fünf sichere Siege für den Vizemeister. In der Halbjahres-Abrechnung stehen dann 20 bis 25 Punkte, die für den Klassenerhalt reichen werden, aber das Saisonziel Champions League-Qualifikation stark gefährden.
Für eine Anpassung der Ziele ist es aber noch zu früh. Im DFB-Pokal ist das Losglück mit Gegner Dresden hold geblieben. Das Achtelfinale ist erreicht und das Erreichen der nächsten Runde nicht unwahrscheinlich.
In der Champions League ist mit neun Punkten aus drei von sechs Spielen eine perfekte Ausbeute eingesammelt worden und eine sehr gute Ausgangslage für das frühzeitige Überwintern im Wettbewerb geschaffen.
30. Oktober 2014 um 12:12
Als in Dresden lebender Fan der anderen Borussia hoffe ich für dich, dass die Arroganz des Satzes “Im DFB-Pokal ist das Losglück mit Gegner Dresden hold geblieben.” unbestraft bleibt. Dresden hat mit Schalke und Bochum bereits zwei andere kriselnde Ruhrpott-Mannschaften rausgekickt, und den BVB wird wegen Schwarz-Gelb ein noch agressiver gestimmter ausverkaufter Hexenkessel Dynamo-Stadion erwarten. Losglück sieht für mich anders aus…
30. Oktober 2014 um 12:33
Es ist alles eine Frage der Perspektive. Im Topf waren ja auch noch Bayer Leverkusen, der VfL Wolfsburg, Bayern München und Hoffenheim.
In der aktuellen Konstitution sind das Brocken, die dem BVB nicht gut liegen. Bei Dynamo kann es natürlich auch anders laufen 🙂