Jeder kennt das: du stehst an der Haltestelle und wartest auf die Straßenbahn und wirst unweigerlich Zeuge von einem Gespräch.Oder du sitzt im Zug und kannst nicht verhindern, dass du “Ohrenzeuge” einer Konversation am Mobiltelefon deines Sitznachbarn wirst.
Solche Gespräche sind der Kern des Buches Neulich gehört im Ruhrgebiet und anderswo, das im riva Verlag erschienen ist und auf dem Einband verspricht:
Wenn man sich aufmerksam umhört, an der Haltestelle, in Bus oder Bahn, im Büro, in der Warteschlange beim Bäcker, wird man nicht selten Zeuge von Comedy im Reinformat. Da betiteln ausländische Mitbürger Eichhörnchen als Nussmaus, Jugendliche meinen „Gebärdensprache“, sagen aber „Gebärmuttersprache“.
So amüsant dieser Teaser klingt, so enttäuschend ist der Inhalt des Buches. Es handelt sich in zweifacher Hinsicht um eine Mogelpackung. Zum einen ist das Buch nicht wirklich dem Ruhrgebiet, sondern auch allen anderen Regionen Deutschlands gewidmet. Und zum anderen handelt es sich bei allen Fundstucken nicht wirklich um regional eingefärbte Dialoge.
Den einzigen regionalen Anstrich bekommen viele Unterhaltungen nur durch die Nennung von Ortsnamen in München, Locations in Berlin oder rund um Aachen. Mit sprachlichen Besonderheiten hat das überhaupt nichts zu tun. Und überhaupt: Erst auf Seite 113 erscheinen die Gespräche aus dem Ruhrgebiet.
Für mich ein klarer Fall von Nepper, Schlepper, Bauernfänger. Auf den Seiten zuvor geht es um Tratsch und Klatsch und mehr oder weniger witzige Dialoge aus Bayern, Berlin, Franken, Hamburg, Hannover und Österreich. Das hat nicht wirklich etwas mit dem Pott zu tun.
Dazu kommt, dass gefühlt nur jeder dritte oder vierte Witz oder Unterhaltung wirklich dieses Attribut verdient hat. Sparwitze und verunglückte Wortspiele sind nicht selten mit von der Partie. Wer sich da an der Nase herumgeführt fühlt, liegt nicht falsch.
Und dann gibt es auch noch den Faux pas, dass Städte wie Düsseldorf (!) und Grevenbroich unter die Kategorie Ruhrgebiet gepackt worden sind. Ich hatte nicht nur einmal den Eindruck, dass Orts- und Straßennamen willkürlich in die geschilderten Szenen eingebaut worden sind, um einen regionalen Bezug zu suggerieren, der definitiv nicht gegeben ist.
Ich habe mich von Neulich gehört im Ruhrgebiet und anderswo nicht nur ein wenig, sondern gehörig hinter das Licht geführt gefühlt. Denn außerdem finden sich die Bonmots aus dem Ruhrgebiet auf gerade einmal 16 Seiten – also magere zehn Prozent des gesamten Buches mit dem Titel “Neulich gehört im Ruhrgebiet und anderswo” bezieht sich auf die Gegend von Dortmund bis Duisburg.