Das vergangene Wochenende war ein Horror-Wochenende für mich.
Schon lange habe ich mir nicht mehr solche Sorgen wie an diesem Wochenende gemacht – natürlich abgesehen von der harten Zeit
Ende Januar und Anfang Februar, als mein Dad im Krankenhaus gelegen hat. Galt meine Sorge damals meinem Vater, so war ich dieses Mal wegen meinem Sohn besorgt.
Dabei war es etwas ganz Profanes. Etwas, das ständig im Leben einer Familie vorkommt und im Prinzip nicht wirklich schlimm ist. Doch die Erfahrung hat mir gezeigt, wie ungewohnt es ist, wenn ein Kind fehlt.
Es sind doch nur zwei Tage!
Am Freitag Nachmittag habe ich den großen Sohn nachmittags zum Treffpunkt an der evangelischen Kirche gebracht. Mit 15 anderen Zwölfjährigen ging die Fahrt nach Wegberg ins Haus Sankt Georg.
Dort fand die Katechumenen – Freizeit für die frischgebackenen Katechumen statt, die im Mai 2017 konfirmiert werden. Im Management-Sprech würde die Veranstaltung als “Kick Off” firmieren 🙂 Es ging darum, dass sich die Jugendlichen kennenlernen und auf die nächsten Monate eingestimmt werden.
Als ich am frühen Abend zu Hause gewesen bin, wir zu dritt gegessen hatten und der jüngste Sohn im Bett gelegen hat, schweiften meine Gedanken zum Ältesten ab. Was macht erwohl gerade? Geht es ihm gut? Vermisst er uns? Halt all diese Gedanken, die einem Vater durch den Kopf gehen.
Funkstille auf dem Smartphone
Spät in der Nacht, kurz vor dem Schlafen gehen, habe ich Liam eine WhatsApp gesendet, um in Erfahrung zu bringen, wie sein Befinden ist. Natürlich kam keine Antwort. Wieso auch? Es war ein gutes Zeichen, sicherlich war er beschäftigt und verschwendete keine Gedanken an seine Eltern.
Am nächsten Morgen galt mein erster Blick dem Smartphone. Noch in der Nacht hatte der Sohn geantwortet. Um 1:28 Uhr schickte er ein “Ja.” als Antwort auf meine Frage, ob alles gut geklappt habe. So läuft die Konversation mit Jungs in dem Alter. Das Wohlbefinden in zwei Buchstaben und ein Satzzeichen verpackt.
Andererseits: wie wäre es denn vor zwanzig Jahren gewesen? In einer Zeit ohne Smartphone und Handy? Damals hätte ich auf die mobile Kommunikation zwangsläufig verzichten müssen, ich hätte sie nicht einmal vermisst, weil sie noch gar nicht erfunden war. Dieser Gedanke trägt mich durch den Tag.
Am Samstag lenke ich mich durch Arbeiten an und im Haus und Einkäufen ab. Seltener gehen meine Gedanken in Richtung Liam und ich fühle mich weniger schwermütig. Ich realisiere immer stärker, dass der Große immer erwachsener wird. Im April wird er schon dreizehn Jahre alt sein, die Abnabelung vom Elternhaus beginnt nicht, sie ist bereits in vollem Gange.
Und darum geht es ja. Das loslassen lernen und das Akzeptieren, dass die eigenen Kinder selbständig werden und ihren eigenen Weg gehen. Als Eltern – so ist zumindest meine Sicht der Dinge – haben wir die Aufgabe, unseren Nachwuchs bestmöglich auf das Leben vorzubereiten und fit fürs Leben zu machen. Ich bin guter Dinge, dass wir in dieser Richtung einiges gut und richtig gemacht haben.
Es geht vielen wie mir
Und noch etwas habe ich gelernt. Ich bin mit meinen Sorgen und Ängsten nicht allein.
Meine Mum meinte, dass sie meine Sorgen gut nachvollziehen kann. Als ich damals auf dem Gymnasium in Luttach beim Ski fahren und in Wales beim Schüleraustausch gewesen bin, hat sie sich ähnliche Fragen gestellt. Geschichte wiederholt sich.
Ich kann mich also darauf einrichten, dass meine emotionale Verfassung nicht zum letzten Mal so sentimental und melancholisch wie am vergangenen Wochenende gewesen sein wird und der Abnabelungsprozess mit den acht und zwölf Jahre alten Söhnen unaufhaltsam voranschreitet.
29. August 2015 um 10:09
Hallo Marc,
das hast du sehr schön beschrieben und aus deinen Worten kann man ablesen, dass Abnabelung in beide Richtungen, also sowohl von den Eltern als auch den Kindern, vollzogen wird. Wenn es dich tröstet, dann lass dir sagen, dass das Gefühl der Leere mit jeder Abwesenheit von Kindern weniger deutlich da ist. Und eine betreute Reise ist da wirklich nur der Anfang. Ich persönlich habe meine schlimmsten Zeiten gehabt, als die Kids volljährig waren und nachts in Berlin um die Häuser und durch Clubs zogen. Im Nachhinein bin ich auch froh, dass ich von diesen Ausflügen nicht die Details kenne. Aber auch das habe ich überstanden und inzwischen wohnen beide nicht mehr bei mir, sodass die Trennunug der Normalfall ist. Mein Sohn wohnt sogar im Hamburg, aber ich habe ein gutes Gefühl und Einrichtungen wie WhatsApp helfen dabei.
Sehr hilfreich war es kürzlich beim Auszug meiner Tochter übrigens für mich, dass sie unmittelbar vorher einen Monat lang in den USA gewesen ist. Da konnte ich kinderfrei unter teils harten Bedingungen, wie etwa dem Wissen um gecancelte Flüge und verpasste Anschlüsse, schon mal gut üben und empfinde die jetzige Dauersituation ohne sie als vergleichsweise angenehm.
Bei der Situation mit “gestrandet am Flughafen Manchester, wo man gar nicht hinwollte ursprünglich” habe ich die Möglichkeiten des Internets übrigens sehr zweischneidig erlebt. Einerseits war es gut, vom Kind Infos über ihre Lage zu bekommen. Andererseits ist es nervenaufreibend, wenn man via flight tracking anhand der Verspätung schon im Voraus weiß, dass der Anschlussflieger weg ist. Aber die Finger von dieser Art der Überwachung konnte ich dann doch nicht lassen 😉
LG Iris (und sorry für den etwas längeren Kommentar, aber dein Artikel hat mich eben sehr angesprochen)