Mit „Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga“ ist Buchautor Ronald Rengs nach der Biographie zu Robert Enkes Leben (“Ein allzu kurzes Leben“) ein weiteres schriftstellerisches Meisterstück gelungen.
Anders als viele jüngere Neuerscheinungen, die uns mit Zahlen und Statistiken wie die Top-Torjäger der einzelnen Saisonen oder die durchschnittliche Torquote der Bundesliga, regelrecht erschlagen, hat Rengs in seinem rechtzeitig zum fünfzigsten Jubiläum der deutschen Fussball-Bundesliga erschienen Buch, parallel den Lebens- und Leidenswegs des Bundesliga-Originals, Heinz Höher, sowie die Entwicklung des deutschen Fußballs von den bewegten Anfängen über die vielen Skandale in den 70er Jahren bis zur vollkommenen Kommerzialisierung in den letzten 15 Jahren, feinfühlig skiziiert. Daneben gibt das Buch auch einen interessanten Einblick in die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands nach dem Ende des zweiten Weltkrieges bis in die Neuzeit.
Im Mittelpunkt dieses Sachbuches steht aber das Leben des ehemaligen Bundesliga-Profis (MSV Duisburg und VfL Bochum), eines genau so begabten wie schrägen Mannes. Es ist im Grunde nichts anderes als die Geschichte eines grandiosen Scheiterns.
Mit viel Gespür und Einfühlungsvermögen zeigt der Autor die innere Zwiespalt die Höher ein Leben lang begleitet hat. Zunächst erlebte dieser einen beachtenswerten Aufstieg, der ihn zu einem der elegantesten Flügelspielern der 50er und 60er machte. Danach folgten mehrere Stationen als Trainer und später als sportliche Leiter bei renommierten Vereinen im In- und Ausland in den 70er und 80er Jahren.
Das traurige Ende bildet der spätere Absturz als Folge seiner Alkoholsucht. Höhepunkt, oder besser gesagt Tiefpunkt, seiner Krankheit war der Zusammenbruch beim ersten Training in Lübeck. Obwohl, oder gerade weil, er als Folge seiner Sucht seinen Beruf, sein ganzes Vermögen und einen Großteil seines sozialen Umfeldes verloren hat, blieb er dem Fussball immer treu. Er verfolgt auch heute noch alle Entwicklungen in diesem beinharten Geschäft als ob er noch Mitten im Geschehen wäre.
Diese ganz eigene Perspektive auf die Welt des runden Leders ist es auch, was die Geschichte so faszinierend macht. Denn sie ist gespickt mit vielen faszinierenden Anekdoten die nur jemand wiedergeben kann, der alles aus erster Hand selber erlebt hat.
So ist es für Leute unter 40 zum Beispiel kaum vorstellbar, dass die Spielerfrauen der Top-Kicker damals noch eigenhändig die Trikots ihrer Partner waschen mussten oder dass die lokalen Journalisten nach den Spielen einen Anruf des Cheftrainers erwarteten, um von den Geschehnisse des Auswärtsspieles zu hören. All dies, wie auch dass der Fussball und der Alkohol bei vielen Fussballern und auch Trainern in dieser Zeit eine traurige Einheit bildeten, wird vom Autor eindrucksvoll nachgezeichnet.
Unter dem Strich ist das 2013 erschienene Sachbuch “Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga“ weit mehr als eine reine Biographie. Es ist eigentlich die biografisch gefärbte Bundesligahistorie, welche uns sowohl die Sonnen- wie auch die Schattenseite der obersten deutschen Fussballklassen aus einem ganz besonderen Blickwinkel näher bringt.