Es ist Ende Juni. Ich relaxe im Garten meiner Schwiegereltern auf der Liege und lausche den Klängen eines Schifferklaviers, auch als Zieharmonika bekannt.
Meine Schwiegermutter ist heute 70 Jahre alt geworden und nach üppigem Mittagessen mit Hähnchenbrust, Schweinefilet, Kartoffelgratin, Salat, Dessert, köstlichem Erdbeer- und Himbeerkuchen sowie Käsekuchen zum Kaffee wird zur Verhinderung des Fresskomas eine Gesangsstunde eingelegt.
Der heiße Tag neigt sich langsam dem Ende und ich genieße die persönliche Auszeit von dem Jubel, dem Trubel und der Heiterkeit und schaue auf den blauen Himmel mit den vereinzelten Wolken, die langsam über mich hinweg ziehen.
Während ein älterer Herr auf dem Schifferklavier in die Tasten haut, begleiten ihn die Geburtstagsgäste stimmgewaltig mit auswendig gekonnten Liedtexten. Neben bekannten Weißen wie “Horch’, was kommt von draußen rein” und “Hoch auf dem goldenen Wagen” ist auch jede Menge Liedgut dabei, das mir gänzlich unbekannt ist.
Als ich dem Singsang lausche und meinen Gedanken nachhänge, überlege ich, wie ich wohl in achtunzwanzigeinhalb Jahren meinen 70. Geburtstag feiere. Ob ich auch so viele Freunde und Bekannte zu meinem Fest einladen kann? Dreißig Menschen sind heute zusammengekommen, gute Freunde und Verwandte.
Und ob ich mich dann auch an so prächtiger Gesundheit wie die Jubiliarin erfreuen kann. Wenn ich in die Runde der Gäste schaue, sehe ich gesundheitlich angeschlagene Menschen, die sich gerade mal in den sechziger Jahren des Lebens befinden und mehrere gesundheitliche Tiefschläge verkraften mussten. Wie wird es mir gehen?
Ich frage mich, wie ich mit siebzig Jahren lebe und über mein bisheriges Leben nachdenke. Werde ich zufrieden sein mit dem, was ich erreicht habe? Werde ich mich über verpasste Gelegenheiten ärgern und mich grämen, an Weggabelungen des Lebens nicht eine andere Richtung eingeschlagen zu haben? Bin ich mit 70 Großvater und kann mich an der erfrischenden Art meiner Enkel erfreuen?
Fragen über Fragen, die mir durch den Kopf gehen und auch dann noch nicht verhallt sind, als der Musiker sein Akkordeon längst aus der Hand gelegt hat, um sich an dem Abendbüfett zu laben.