Für viele Menschen fühlt es sich wie einmal in die Hölle und zurück an, für Mike Kleiß ist es das Beste, was ihm in seinem Leben passieren konnte: jeden Tag bis zu dreißig Kilometer am Stück zu laufen.
Und zwar freiwillig. Und ohne Druck von außen. Einfach laufen, weil er es kann und weil er es will. Doch bei dieser Rezension soll es nicht um den vor fünf Jahren noch fünfzig Kilo schwereren Mike Kleiß gehen. Denn dazu gibt es bereits sein schriftstellerisches Debüt More Power. Lauf dich frei! aus dem Jahr 2014 zum Nachlesen.
Dieses Mal und in seinem zweiten Buch geht es um die sogenannten Laufwunder. Als Laufwunder bezeichnet der Kölner nicht nur den Werdegang eines Sportlers, der nach einer Querschnittslähmung wieder einen Halbmarathon absolviert hat. Ein Laufwunder ist auch der tägliche Lauf, der uns als Läufer über die Jahre positiv verändert. Verändert als Mensch, verändert auf der Waage und verändert vom oft unzufrieden sein hin zum einfach zufrieden sein.
Rosamunde Pilcher des Laufsports
Kleiß ruft zu mehr Gefühl, mehr Achtsamkeit und mehr Liebe auf – übrigens auch ein Grund, wieso der Autor als Rosamunde Pilcher des Laufsports tituliert wird. Und damit hebt sich der Kolumnist des Tagesspiegels wohltuend von den vermeintlichen Laufexperten, die ihre Trainingspläne anpreisen, ihre Produkte verkaufen und den vollen Einsatz bis zum Umfallen propagieren.
Nach der Lektüre der 30 Kapitel über Begegnungen beim Laufen, Achtsamkeit, Freundschaften, Empathie und auch Liebe habe ich Essenzielles gelernt. Ich bin kein Jogger, ich bin kein Läufer. Ich bin ein Lebensläufer. Ein schöner Begriff, den ich erstmals bei Mike Kleiß gelesen habe. Ich laufe nicht um der Bestzeit willen, ich laufe nicht für mein Ego, ich laufe, weil es mir gut tut und weil es mir Spaß macht.
Pures Laufen – und sonst nichts
Diese Erkenntnis nach mehr als 200 Seiten ist symptomatisch für alle Laufwunder, von denen der Medienmensch berichtet hat. Es geht nicht um das besten und teuersten Laufklamotten, um die ausgefeiltesten Trainings- und Ernährungspläne und die neuesten technischen Gadgets am Handgelenk.
Es geht um das Laufen. Es geht um das pure Glücksgefühl, das du beim Lauf am Morgen oder beim Lauf in der dunklen Abendstunde empfindest. Es geht um Leidenschaft, es geht ums Wohlfühlen und es geht um das mit sich ins Reine sein oder um mit sich ins Reine zu kommen.
Und allein das rechtfertigt die Lektüre dieses Buches, das mich nachhaltig beschäftigt und gedanklich auf einigen langen und kürzeren Läufen angeregt hat.
Kurz, knackig und prägnant
Abschließend noch eine stilistische Anmerkung:
Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mit den kurzen, prägnanten Sätzen des Autors in Laufwunder – Wie sie dein Leben verändern. Denn oft umfassen seine Sätze weniger als zehn Wörter am Stück, bevor schon der Punkt folgt. Weg mit den komplizierten Schachtelsätzen! ist sein Motto, das mich erst irritiert, dann aber immer mehr überzeugt hat.
So kann die Message klar und unmissverständlich herübergebracht werden. Der Autor versteckt sich nicht hinter Wort-Aneinanderreihungen, bei denen der Leser am Ende nicht mehr weiß, was am Anfang des Satzes gestanden hat.
Mehr zum Thema Laufen in meiner Artikel-Serie “Projekt Laufen”
Alle bisherigen und künftigen Beiträge zum Thema Laufen findet ihr unter #ProjektLaufen2014, unter #ProjektLaufen2015 und unter #ProjektLaufen2016.