Wir werden älter. Jeden Tag aufs Neue. Und mit uns alle Menschen um uns herum. Als junger Mensch ist mir das selten bewusst geworden.
Doch seitdem ich die magische Marke von vierzig Jahren überschritten habe, wird es immer deutlicher. Und das alt werden – und auch das alt sein – beziehe ich weniger auf mich als auf meine mir besonders nahestehenden Menschen. Meine Eltern.
Je älter die Eltern werden, umso größer werden die Sorgen. Erst kürzlich stand bei einem meiner Herzmenschen wieder eine Operation an. Zwar war es dieses Mal nicht so krass wie vor einiger Zeit, als mein Dad im Herzzentrum in Bad Oeynhausen war, aber dennoch.
Das Warten auf die Operation
Am Abend vor der Operation bin ich mit den Gedanken an meinen Vater und die bevorstehende Operation ins Bett gegangen und konnte an nichts anderes denken. In der Nacht vor der Operation habe ich schlecht geschlafen und bin Stunde um Stunde aufgewacht.
Ja, es ist ein Routine-Eingriff. Ein Eingriff, der regelmäßig vorgenommen und der im Prinzip ohne Komplikationen verläuft. Aber kann man bei über 65-jährigen überhaupt von Routine-Eingriffen sprechen? Ist es je nach Krankengeschichte nicht so, dass jede OP riskant ist?
Am Montag Morgen stand dann fest, dass nachmittags um 14 Uhr operiert wird. Erleichterung machte sich bei mir breit. Denn seit Januar 2015 bin ich regelrecht traumatisiert, was bevorstehende Operationen und das Warten darauf angeht.
Und auch den ganzen Vormittag und Mittag über galt mein Blick regelmäßig der Uhr. 10 Uhr, 10:30 Uhr, 11 Uhr und so weiter und so fort. 12:15 Uhr. Noch eindreiviertel Stunde. Was mein Dad wohl gerade macht? Wird er für die Anästhesie vorbereitet?
https://twitter.com/Ostwestf4le/status/851413539390664708
Überraschende Wende
Dann war es 14 Uhr und meine Nervosität wuchs und wuchs. Familienmitglieder hatten virtuell eine Kerze entzündet und Anne zu Hause ebenfalls eine Kerze brennen lassen. Das ist Familie: auch wenn wir hunderte Kilometer voneinander getrennt sind, so sind wir im Herzen vereint und spenden uns gegenseitig Zuspruch, Kraft und Zuwendung.
Ich hatte das Glück, mich während der Operation mit Arbeit im Büro abzulenken. Auch wenn das Vorhaben der Ablenkung nur mittelmäßig gut geklappt hat. Aber immerhin etwas.
Wider Erwarten und eigentlich viel zu früh kam um viertel vor drei eine WhatsApp-Nachricht. Von meinem Daddy. Ich bemerkte, wie mir während des Lesens ein kalter Schauer über den Rücken lief und sich Feuchtigkeit in den Augen ansammelt. Alles war gut. Dad geht es gut. Die Operation ist vorgezogen worden und mein Vater war bereits früher an der Reihe.
Und weil es kitschiger nicht sein könnte, hellte sich just in diesem Augenblick der Himmel auf und die Sonne leuchtete durch mein Bürofenster.
Die Rollen ändern sich
Eins ist mir auch klar geworden. Früher haben sich meine Eltern aufopferungsvoll um mich gekümmert, mich aufgezogen und zu dem gemacht, was ich bin. Und sich um mich gesorgt.
Jetzt bin ich an der Reihe. Mit dem Sorgen machen um die Eltern und auch mit dem Helfen der Eltern. Und ich kann doch so wenig davon zurückgeben, was mir einst von ihnen gegeben wurde.