Was. Für. Ein. Tag. Was. Für. Ein. Lauf. Auch einen Tag später bin ich immer noch geflasht von den Ereignissen am Tag der Deutschen Einheit, als ich das erste mal am Halbmarathon in Dortmund teilgenommen habe.Aber der Reihe nach.
Die Unsicherheit
Als ich am Montag Morgen, einen Tag vor dem Wettkampf, zum Bäcker gegangen bin, war ich unsicher. Hatte ich meinen Körper in den vergangenen Tagen überfordert? Nach der Leistungsdiagnostik am Samstag und dem langsamen Lauf am Sonntag über 15 Kilometer zur Lockerung der Muskeln war ich eigentlich guter Dinge, dass ich zum Renntag fit und locker bin.
Meine Beine hatten allerdings eine andere Meinung und fühlten sich schwer und die Muskeln lädiert an. Hatte ich es übertrieben? Hätte ich am Sonntag lieber ruhen statt rennen sollen? Diese Gedanken begleiteten mich den ganzen Tag über und stoppten auch nicht, nachdem ich meine Laufklamotten für den Dienstag Vormittag zurechtgelegt hatte.
Am Nachmittag kamen mein Bruder mit Familie als Überraschungsbesuch vorbei und abends gab es Pizza und Pasta. Eine perfekte Grundlage für mein Carbo-Loading am Vorabend des Wettkampfes.
Mentale Leere
Bevor es abends ins Bett ging, fühlte ich mich ungewohnt leer. Ich vermisste die Anspannung vor dem Rennen und fühlte eine ungewohnte Gleichgültigkeit in mir. Ein Gefühl, dass mir aus früheren Läufen vollkommen fremd war. Wo war die Nervosität, wo war die Vorfreude, wo war meine Lauflust?
Nachdem ich um elf das Licht ausgeschaltet hatte, wusste ich zwei Stunden später, wo die Nervosität gewesen ist. Sie hatte sich nur verspätet und war die gesamte Nacht durch mein steter Begleiter. Und begleitete mich mit einem Kopfkino vom Allerfeinsten.
Bis ich dem Spuk um 6:15 Uhr ein Ende bereitete und vor dem geplanten Weckerklingeln (6:45 Uhr) aufgestanden bin. Apropos Kopfkino: ich sage nur “geschmolzenes Smartphone in der Gürteltasche”, nachdem ich in meinem Traum im Dauerregen zum Startplatz am Phoenixsee spaziert bin.
Rituale sind wichtig
Am Morgen des Wettkampfes widmete ich mich meinem obligatorischen Ritual. Zwei Toast mit Nutella und Banane, zwei bis drei Kaffee und gut einen dreiviertel Liter Wasser sollten mich für den Phoenixsee wappnen.
Nach dem gemeinsamen Frühstück mit unseren Überraschungsgästen ging es um kurz vor halb neun auf die Autobahn Richtung Dortmund. In einer guten Stunde war ich am REWE Parkplatz angekommen, der bereits von vielen motorisierten Läuferinnen und Läufern bevölkert gewesen ist. Ich hatte Glück und konnte noch einen der letzten freien Parkplätze ergattern.
Startunterlagen: Check!
Vom REWE bis zur AOK an der Hörder Burg war es ein kleiner Spaziergang und um viertel vor zehn hielt ich die Startunterlagen in der Hand.
Einzig der Chip für die Zeitmessung kostete mich einige Nerven. Bislang kannte ich nur die Zeitmessung via Chip hinter der Startnummer. Beim Sparkassen-Halbmarathon mussten zwei Plastikstreifen an den beiden Schnürsenkel der Schuhe befestigt werden.
Das klappt sicherlich gut, wenn du kein Grobmotoriker bist. Ruckzuck hatte ich die Schnürsenkel zu fest angezogen und eine der beiden Löcher eingerissen. Mal schauen, ob die Zeitstreifen bis zum Ende des Laufes halten und zuverlässig meine Zeit messen. Ich war gespannt.
Ab zehn Uhr hatte ich noch ausreichend Zeit, rund um den Phoenix-See zu bummeln, Fotos zu schießen und die Stimmung zu genießen.
Das herbstliche Wetter zeigte sich langsam auch von seiner sonnigen Seite und ich hatte Hoffnung, ohne Regenschauer über das Rennen zu kommen.
Nachdem ich um halb elf meinen Kleiderbeutel zur Aufbewahrung abgegeben habe, war es Zeit, sich auf das Rennen zu fokussieren und zum Startpunkt zu schlendern. Noch dreißig Minuten.
Meine Wettkampf-Strategie
Für das Rennen hatte ich mir kein konkretes Ziel gesetzt. Meine bisherige persönliche Bestzeit beim Himmelgeister Halbmarathon 2017 war für mich keine Marke, die ich knacken wollte. Es war mein erster Lauf in Dortmund, meiner Fußballhauptstadt, und das wollte ich in erster Linie genießen und nicht nach neuen Rekorden lechzen.
Eine Zielzeit in einem Korridor von 1:50 (yeah!) bis 1:55 Stunden (echt jetzt!) wäre für mich ein klasse Ergebnis. Auch wegen der Steigungen, die der anspruchsvolle Kurs zwischendurch eingebaut hatte. Mal schauen, wie ich mit der unbekannten Strecke klar komme.
Los geht´s – letzte Vorbereitungen
https://twitter.com/Ostwestf4le/status/915135739498844160
Um viertel vor elf sortierte ich mich mutig im Startblock 1:45 Stunden ein, um gut aus dem Gewusel zu Beginn zu kommen. Allerdings war es wichtig, am Anfang nicht zu schnell zu laufen, um nicht ins Überpacen zu gelangen. Schließlich hatte ich keinen Pacemaker an meiner Seite.
Auch die Pacemaker mit den schwarzen Luftballons waren mir keine Hilfe. Für zwei Stunden als Zielzeit war ich zu schnell und für 1:45 war ich zu langsam.
Ich war also komplett auf mich allein gestellt und musste mich selbst managen, mich selbst anfeuern und mich selbst bremsen.
Das Rennen
Mit einigen Minuten Verspätung erfolgte der Startschuss und ich kam gut aus dem Getümmel. Rasch hatte ich meine Position auf der Laufstrecke gefunden und spulte mein Pensum ab.
Mit einer Pace zwischen 5:10 und 5:20 ging es rund drei Kilometer um den Phoenix-See, bevor erste kleine Steigungen einen Vorgeschmack auf die bevorstehenden Strapazen lieferten. Doch ich meisterte diese Herausforderung und ackerte mich nicht unnötig ab.
Dortmund ist alles andere als flach! Das war meine Erkenntnis nach sieben Kilometern, als ich mich im Westfalenpark Richtung Florianturm hochgekämpft hatte. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass am Ende mehr als 200 Höhenmeter auf meiner Laufuhr stehen sollten.
Erschwerend kam hinzu, dass ich mental so im Tunnel gewesen bin, dass ich beim ersten Wechselpunkt der HM-Staffel beinahe rechts in die Wechselzone gebogen wäre, statt die normale Route zu wählen. Ich kämpfte mich den Berg hoch und ließ es beim anschließenden Abstieg ordentlich rollen. Nicht zu schnell, schließlich sorgte das Laub auf den Wegen für einiges Gefahrenpotenzial – und Ausrutschen wäre alles andere als gut gewesen.
Der Westfalenpark war in Sachen Höhenmeter die größte Herausforderung und nachdem sich mein Puls normalisiert hatte, kam ich wieder in die Lauf-Routine, die ich benötigte. Bei BMW und Kilometer 14 trank ich zwei Becher Dextro Energy, um das letzte Drittel des Laufes weiterhin konstant in einer 5:10er Pace zu bewältigen.
Der Endspurt
Und die Rechenspiele begannen. Die Anstiege hatte ich erfolgreich gemeistert und von nun an ging es nur noch leicht bergab oder blieb flach. Langsam realisierte ich, das geht heute etwas! Eine Zielzeit von 1:48:xx wie in Himmelgeist rückte in greifbare Nähe. Und vielleicht sogar noch etwas mehr.
Ich ließ die Beine einfach laufen, schaute nicht mehr ständig auf die Laufuhr und wurde belohnt. Nach und nach sammelte ich die Läufer ein, die mich auf der ersten Hälfte überholt hatte, während ich mein Pensum konstant heruntergespult hatte.
Und plötzlich war der Phoenix-See wieder in Sichtweite. Nur noch vier Kilometer. Jetzt nicht einbrechen und die Geschwindigkeit halten. Ruhig atmen. Der Puls war bei 160 und damit im Normbereich. Die Sub 1:50 war gebongt, aber vielleicht auch noch mehr?
Nachdem ich den fiesen Anstieg kurz vor dem Ziel gemeistert hatte, zeigte meine Uhr eine Zeit rund um 1:48 Stunden an. Jetzt hieß es warten auf die offizielle Zeit.
Die neue Bestzeit!
Und dann war sie da. In einer Stunde, 47 Minuten und 26 Sekunden hatte ich den Halbmarathon gefinisht!
Das ist 57 Sekunden besser als beim Himmelgeister Halbmarathon Ende Juni gewesen. Und das trotz mehr als 200 Höhenmeter. Wow! Ich war perplex und baff und glücklich – damit hatte ich definitiv nicht gerechnet!
Im Zielbereich ließ ich mir das eiskalte Alkoholfreie schmecken und freute mich über dieses top Ergebnis. Und das ausgerechnet in Dortmund, meiner Stadt. Besser geht´s nicht!
Klasse Organisation vom Anfang bis zum Ende
Ich bin das erste Mal beim Phoenix Halbmarathon in Dortmund gelaufen und kann mit Fug und Recht behaupten, dass die Veranstaltung von Anfang bis zum Ende top organisiert ist.
Sowohl die umfangreichen Informationen kurz vor dem Lauf als auch der top durchgeplante Wettkampftag ließen für mich keine Wünsche offen. Auch die “idiotensichere” Beschilderung für Startnummern-Ausgabe, Start- und Zielbereich sowie WCs rund um das Gelände ist nicht selbstverständlich.
Die Verpflegung im Zielbereich war ebenfalls spitze. Alkoholfreies Bitburger Pils mit und ohne “Obst” (Grapefruit und Zitrone), Mettwürste, Bananen, Äpfel, Gummibärchen und Schokoriegel sorgten für ein rasches Füllen der Kohlenhydrat-Speicher nach dem Lauf.
Meine fünf Lessions Learned
Gleich fünf Erkenntnisse habe ich aus dem Lauf mitgenommen:
- Ich kann auch ohne Adidas Supernova schnelle Rennen laufen.
- Ein Pacemaker ist klasse, aber ich kann auch ohne fremde Hilfe mein festes Tempo halten und neue Bestzeiten erreichen.
- Ein Stopp am Verpflegungsstand ab Kilometer 14 ist Pflicht, um einen sauberen Schlussspurt auf den letzten zwei Kilometern hinzulegen und nicht einzubrechen.
- Das Training für #DeinErsterMarathon zahlt sich aus. Das gilt sowohl für die langen Läufe vom Büro nach Hause als auch das Intervall-Training, das ich bisher sträflich vernachlässigt habe.
- Auch mit bald 43 Jahren sind noch Steigerungen bei Wettkämpfen möglich.
Auf diesem Lauf kann ich aufbauen. Und auch wenn mein letzter langer Lauf einige Zweifel in mir hervorgerufen hat, bin ich inzwischen sicher, dass jeder Lauf seinen Teil dazu beiträgt, dass das Ergebnis am Ende stimmt.
Ich bin zufrieden und optimistisch für die nächsten Wochen und Monate.
Video: Mein Lauf aus der Vogelperspektive
Mehr zum Thema Laufen in meiner Artikel-Serie “Projekt Laufen”
Alle bisherigen und künftigen Beiträge zum Thema Laufen findet ihr unter #ProjektLaufen2014, unter #ProjektLaufen2015 unter #ProjektLaufen2016 und #ProjektLaufen2017.
Pingback: Ich bin jetzt Läufer – Woche 173 - Ein Ostwestfale im Rheinland
Pingback: Das war der METRO Marathon 2018 in Düsseldorf - Ein Ostwestfale im Rheinland
Pingback: Laufschuhe kaputt - der Kundenservice von Brooks ist klasse - Ein Ostwestfale im Rheinland