Der dritte Advent steht im Martin-Luther-Haus jedes Jahr im Zeichen des Familiengottesdienstes.
Am Tag zuvor haben die Katechumenen mit dem Pfarrer und den Teamern den Gottesdienst vorbereitet. Natürlich sind wir an diesem Tag auch in dem Gotteshaus und genießen die Andacht für kleine und große Menschen. Die Kirche ist um kurz vor halb elf sehr gut besucht und mit Glück erwischen wir im hinteren Teil der Reihen noch Sitzplätze.
Vor mir sitzt ein älterer Mann auf dem Stuhl. Sein Haar ist ordentlich frisiert, der Hemdkragen gestärkt und der türkisfarbene Pullunder passt perfekt zu seiner Hose. Der Mann ist allein in der Kirche. ich beobachte, dass der Familienvater mit den beiden Töchtern zu seiner Rechten und Linken nicht zu dem älteren Herr gehört.
Alle Jahre wieder. Kommt die Einsamkeit.
Während wir eines meiner Lieblingslieder im Advent – Alle Jahre wieder – singen, halte ich inne. Etwas stimmt nicht mit meinem Sitznachbarn in der Reihe vor mir. Ich bin unsicher, doch dann habe ich Gewissheit. Der ältere Herr weint.
Ich überlege, was ihm durch den Kopf geht. Denkt er an seine verstorbene Frau? Oder ist seine Frau krank daheim und nicht bei ihm? Denkt er an seine Kinder, die weit entfernt von ihm wohnen? Und die er viel zu selten sieht? Macht ihn seine Einsamkeit traurig und spült diese Tränen aus seinem Körper?
Ich weiß es nicht, ich kann nur mutmaßen.
https://www.youtube.com/watch?v=f2dD65CK6qY
Oh du fröhliche? Nicht für alle Menschen.
Bei “Oh du fröhliche” nimmt die Traurigkeit weiter Oberhand. Jetzt fließen die Tränen unaufhörlich und das Taschentuch des alten Herren kommt unentwegt zum Einsatz.
https://www.youtube.com/watch?v=SAp4CTg6_wc
Ich fühle mich unwohl, ich fühle mich machtlos und ohnmächtig. Zu gern würde ich den Mann in den Arm nehmen, ihn stützen und ihn trösten.
Dieser Mann ist nicht der Einzige, der in der Vorweihnachtszeit und an Weihnachten allein ist: Zauberhafter Heilig Abend – leider nicht für alle Menschen.