Wenn ich umkippen würde.
Vier Wörter, ein Satz. Ein Satz, der das Leben von Franziska Seyboldt jahrelang maßgeblich bestimmt. Seit ihrer Kindheit, seit einem Besuch beim Arzt, ist diese Sorge vor einer Ohnmacht latent vorhanden. Mal weniger, mal mehr allgegenwärtig.
Von der Angst zur Ohnmacht
Und diese Angst vor der Ohnmacht wächst zur Angst vor der Angst aus und beeinflusst das Leben der jungen Frau maßgeblich. Panikattacken und Angstattacken sind ein ständiger Begleiter – ohne dass ein Muster festzustellen ist.
Das eine Mal schlägt die Angst mehrmals wöchentlich, das andere Mal monatelang gar nicht zu. So wie Franziska geht es nicht wenigen Menschen. Jeder Sechste von uns hat bereits Bekanntschaft mit dem unangenehmen Zeitgenossen Angst gemacht.
In Rattatatam, mein Herz – Vom Leben mit der Angst nimmt uns die Autorin mit auf eine autobiografische Reise, in der sie ihr Innerstes nach außen kehrt. Seyboldt schont den Leser genauso wenig wie sie sich beruflich und privat geschont hat und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
Die Wippe als Metapher
Menschen, die unbeschwert durchs Leben gehen, fehlt gelegentlich das Verständnis für Menschen mit einer Angststörung. Weil sie nicht fühlen können, wie sich “das” anfühlt. Franziska Seyboldt benutzt gern Metaphern und Symbole, um die Gedanken, Sorgen und Ängste zu erklären.
Wie die Wippe, die das Zusammenspiel zwischen Mensch und Angst erklärt. Die Wippe symbolisiert dein Leben. Manchmal bist du oben und manchmal bist du unten. Gemeinsam mit der Angst befindet sich der Mensch im Gleichgewicht. Ist die Angst oben, ist der Mensch unten – und umgekehrt.
Auch Stress gehört als Auslöser dazu. Stress ist keine Währung, die für jeden den gleichen Wert hat. Er kann nicht gemessen werden. “Stress entsteht nicht dadurch, dass man den Anforderungen genügen will, die das Umfeld an einen stellt. Die Anforderungen stellt man selbst”, erklärt die Journalistin.
Der Ursache und der Krankheit auf der Spur
Nach und nach kommt Seyboldt ihrer Krankheit und möglichen Ursachen auf die Spur. Sie lernt gute und schlechte Therapeuten kennen und entdeckt eher zufällig, wie sie sich selbst aus dem Dilemma helfen kann.
Rattatatam, mein Herz ist nicht nur eine Autobiographie. Das Buch aus dem Verlag Kiepenheuer & Witsch ist auch ein kleines medizinisches Lehrbuch und praktische Lebenshilfe in einem. Offen, schonungslos, ehrlich, sarkastisch und amüsant rückt die Schriftstellerin der Diagnose Angststörung auf den Leib und nimmt ihr den Schrecken – zumindest teilweise.
Perfide Angst
Insbesondere die Dialoge mit der Angst zeigen dem Leser, wie perfide die Angst das Leben der Erkrankten bestimmt. Die Angst versucht im Zwiegespräch immer wieder und wieder, den Betroffenen einzunehmen und ihn zu fesseln. Die gute Nachricht: es gibt Auswege aus der Welt der Angstattacken.
Großer Respekt gebührt der Wahl-Berlinerin dafür, dass sie ihre Angststörung öffentlich gemacht. Und ihr Lebensmotto proklamiert: “es ist mir nicht mehr so wichtig, was die anderen von mir denken. Aber umso wichtiger, wie ich mich fühle” Also raus aus der Anonymität und weg von der Stigmatisierung der Erkrankten.
Denn:
Ja, ich bin selbstbezogen.
Endlich.
Ich habe nur ein Leben, und in dem soll es mir verdammt noch mal gut gehen.
Und zwar so oft wie möglich.