Klaus Nofftz, erfahrener Marathon- und Ultraläufer, hat sich im ersten Teil meines Fragen-Marathons – was für ein Wortspiel 🙂 – mit der Vorbereitung, dem passenden Tempo, der Regeneration und der Renn-Taktik befasst.
Im zweiten Teil geht es unter anderem um Ernährung, Misserfolg und den ultimativen Tipp für den Lauf über 42,195 Kilometer.
6. Gels, Liquids und Co.: welche, wann und wie viele?
Die Nahrungsergänzungsmittelindustrie (NEG) hat ja den Ausdauermarkt (auch im Biken und Triathlon-Bereich) seit Jahren als gute Einnahmequelle auserkoren. Sie bietet für alle Bereiche Gels und alles Mögliche an, die die Leistungsfähigkeit während des Wettkampfes (oder eben auch im Training) aufrechterhalten. Im Endeffekt sind die ganzen Gels und ähnliche Produkte Zucker und Kohlehydrate in pastöser Form, die vom Magen relativ schnell verarbeitet werden und die Energie gelangt dann auch zügig dorthin, wo sie benötigt wird.
Welche man nimmt, das ist eben Geschmackssache und sollte auf alle Fälle vorher im Training ausprobiert werden. Wann und wie viele? Das hängt von so vielen Faktoren ab, dass man da keine genauen Angaben machen kann.
Ich habe es mir seit Jahren angewöhnt, ab Kilometer 18 bis 20 alle fünf Kilometer einen Gelbeutel mit natürlich Flüssigkeit hinterher zu mir zu nehmen. Ich komme damit auch zurecht, aber das ist kein Garant, dass es bei anderen genauso sein sollte und richtig ist.
7. Ernährung: Was esse ich am besten?
Siehe auch Frage 6 🙂
Es gibt Marathonläufer/Innen, die absolut gar nix während der 42,195 km zu sich nehmen und nur Wasser trinken (und auch ins Ziel kommen). Andere plündern die Verpflegungsstellen und brauchen Unmengen an Nahrung. Was ist richtig, was ist falsch?
Grundsätzlich sollte es so sein, dass ihr nur die Sachen während eines Wettkampfes zu euch nehmen solltet, die ihr schon vorher im Training ausprobiert habt. Trinkt und esst, wenn ihr das braucht, lieber häufiger und in kleinen Portionen, als irgendwann größere Mengen, die der Magen nicht verträgt.
Bananen als probates Mittel gegen die aufkommende Unterzuckerung sind ja schön und gut, sind die aber noch nicht ganz reif, können sie sehr schwer im Magen liegen und es dauert auch relativ lange, bis der Magen sie aufbereitet hat und die Energie im Muskel angelangt ist.
Natürlich gibt es auch so Lauf-Exoten, die sich während eines Marathons Gyros, Bratwurst, Reibekuchen und Co. inklusive eines leckeren Bierchens gönne. Warum nicht, wenn es der Magen verträgt?
8. Was tun, wenn es beim Wettkampf nicht läuft?
Sollte es wirklich passieren, dass es zwischendurch zu Problemen irgendwelcher Art kommt (vorzugsweise ab Kilometer 30 oder so), geratet nicht in Panik, sondern switcht um auf Plan B oder C.
Und das sollte auch schon im Vorfeld kopfmäßig trainiert werden. Was mache ich, wenn ich nicht in meinem geplanten Tempo laufen kann und Krämpfe oder sonst etwas bekomme? Stellt euch vorher auf diese (hoffentlich nicht auftretende) Situation ein und habt immer einen Plan B oder C in der Tasche.
Ich habe mir früher immer vier Ziele gesteckt:
- Erstes Ziel ist das Ankommen.
- Zweites Ziel ist Ankommen in einer realistischen Zeit inklusive eines kleinen Puffers.
- Drittes Ziel ist Ankommen unterhalb einer bestimmten Zeitmarke.
- Und das vierte Ziel ist eben eine persönliche Bestzeit.
Als Erstmarathoni hat man als Finisher ja automatisch zwei Ziele erreicht (das erste und das vierte) und kann und sollte superglücklich darüber sein, sollte man aufgrund widriger Umstände nicht die Zeit schaffen, die man sich erhofft und vorgenommen hat, okay, der nächste Wettkampf komm bestimmt und man hat dann eine neue Chance.
Nach dem Lauf ist vor dem Lauf!
9. Habe ich eine Frage vergessen oder gibt es eine Frage, die dir immer und immer wieder gestellt wird?
Und wenn ihr dann euer Ziel erreicht habt, feiert es, genießt den Zieleinlauf, seid stolz auf eure Leistung.
Ihr werdet den ersten Marathon nie in eurem Leben vergessen, egal wie viele ihr danach noch laufen werdet.
Ich habe momentan 158 Marathon/Ultraläufe in den Beinen, mein erster Marathon liegt fast 19 Jahre zurück und ich erinnere mich immer noch gerne daran.
10. Dein ultimativer Tipp?
Denkt immer daran: Laufen ist und soll ein Hobby bleiben.
Setzt euch im Training und auch im Wettkampf nicht zu sehr unter Druck, sondern lauft mit Spaß, egal ob ihr nach einem streng fixierten Trainingsplan trainiert oder „frei nach Schnauze“. Hört auf euren Körper (ab und zu mal auch auf den Lebenspartner), genießt auch die anderen Seiten des Lebens (ja, außer Laufen gibt es noch etwas) und dann wird aus der „Angstfreude“, die vor einem Wettkampf die meisten befällt, immer mehr die Freude.
Wir haben das Glück, dass wir in der Lage sind, laufen zu können und dürfen, und wenn man es vernünftig macht, auch verletzungsfrei über Jahrzehnte.
Vielen Dank an Klaus für diese umfassenden Erläuterungen und Tipps und Hinweise.
Disclaimer: Natürlich geben Klaus´ Antworten nur seine persönliche Meinung wieder. Klaus: „Ich bin kein ausgebildeter Lauftrainer und habe mir das Ganze in vielen Laufjahren alles selbst beigebracht. Es sind und sollen nur Tipps und Vorschläge sein, jede/r muss sein eigenes Rezept und Konzept finden, mit dem er/sie glücklich ist :-)“
Mehr zum Thema Laufen in meiner Artikel-Serie “Projekt Laufen”
Alle bisherigen und künftigen Beiträge zum Thema Laufen findet ihr unter #ProjektLaufen2014, #ProjektLaufen2015 #ProjektLaufen2016, #ProjektLaufen2017 und #ProjektLaufen2018.
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