Vor einem Jahr habe ich im Rahmen von #deinersterMarathon einigen Lauf-Kumpels zehn Fragen zum Training und Wettkampf im Rahmen des Marathons gestellt.
Diese Tradition möchte ich auch in diesem Jahr fortsetzen und habe meinem Trainer Helmut Bezani von Lauffieber Dortmund zehn Fragen gestellt.
Viel Spaß!
1. Die letzten Tage vor dem Marathon: was ist wichtig? Worauf sollte ich achten?
Die “letzten” Tage vor dem Marathon beginnen aus meiner Sicht eigentlich schon mit dem Beginn der Taperingphase. Beim Marathon ist das drei Wochen vor dem eigentlichen Wettkampf.
Ab jetzt versuche ich zumindest die Läufe am WE zur selben Zeit wie später beim Wettkampf zu laufen. Schließlich sollte sich der Körper bestmöglich an die Uhrzeit und die Nahrungsaufnahme gewöhnen In dieser Zeit empfiehlt es sich auch das Frühstück für den Wettkampftag auszuprobieren.
Selbiges gilt für die Schlafphasen. Ansonsten versuche ich nichts anderes, als in den Wochen zuvor. Routine ist jetzt für den Körper wichtig. In den letzten vier Tagen baue ich dann den Spannungsbogen immer weiter auf, in dem ich mir den Zieleinlauf vorstelle. Jetzt beginnt es immer mehr zu kribbeln…
2. Nach dem Marathon: wie gelingt die Regeneration am besten?
Ich persönlich genieße zunächst den Moment nach dem Zieleinlauf und die Zielverpflegung, dann setze ich mir meine Kopfhörer auf und genieße den Zieleinlauf ein zweites Mal.
Jetzt bin ich wieder auf Spannung und trabe für ca. 5 min oder ca. 600 bis 800 m ziellos umher. Nun noch ein wenig dehnen und dann ab ins Hotel. Nach einer kurzen Dusche und einem kleinen Mittagsschlaf regeneriere ich dann das erste Mal in der Sauna.
Am Abend dann ein alkoholfreies Weizen und ein gesundes vollwertiges Essen, ehe ich am nächsten Tag nochmal 40 min “Auslaufe”, Rad fahre oder Spazieren gehe. Nun folgen zwei bis drei trainingsfreie Tage und dann beginne ich mit der aktive Regeneration.
Die Phase dauert nach einem Marathon noch zwei weitere Wochen an. In dieser Zeit ist alles erlaubt, nur Tempotraining hat hier nichts verloren.
3. Pace und Power: wie finde ich das richtige Tempo?
Meine Pace für den nächsten Wettkampf plane ich immer ca. 12 bis 16 Wochen vor dem eigentlichen Wettkampf. Hierzu nutze ich entweder die aktuelle Wettkampfzeit, insofern ich bei der selben Distanz bleibe oder Alternative absolviere ich mit einem unserer Trainer einem individuellen Belastungstest oder lasse eine Leistungsdiagnostik machen.
Mit den aktuellen Werten legen wir gemeinsam die neuen Ziele fest. Die Pace wird dann im Anschluss im regelmäßigen Tempotraining aufgebaut. Die Power hole ich mir durch regelmäßige langsame lange Läufe. Diese richten sich grundsätzlich nicht nach der Streckenlänge, sondern nur nach zeitlichem Umfang.
Insgesamt versuche ich immer, 5 bis 8 dieser Läufe in mein Training zu integrieren. Durch die Optimierung des Energiestoffwechsels habe ich später genug Power auf der Strecke.
4. Negative Splits und mehr: die Renn-Taktik.
Grundsätzlich ist ein negativer Split etwas Schönes. Dieser eignet sich jedoch nur für sehr erfahrene Läufer, da die mentale Stärke unglaublich groß ist.
Ferner sollte dies im Training mehrfach mittels Wettkampf in der Unterdistanz oder im Crescendo geprobt worden sein. Alternativ versuche ich über die gesamte Strecke wie ein Uhrwerk zu funktionieren.
Bereits im Vorfeld plane ich das Rennen in 4 km-Schritten. So habe ich nicht zu viele Zeiten auf dem Unterarm, kann jedoch zu jeder Zeit überschlagen ob ich im “Soll” bin. Die letzten beiden Kilometer steigere ich das Tempo dann nochmals und versuche alles rauszuhauen.
5. Pausen und Stärkung: Verhalten am Verpflegungspunkt.
Pausen mache ich nur in den Trainingsläufen. Im Wettkampf zählt es dann. Sobald die Beschilderung “Verpflegung in…” zu sehen ist, versuche ich das Tempo minimal zu erhöhen.
Am Verpflegungsstand visiere ich meist einen Helfer im letzten Drittel an. Ich versuche ab jetzt, Blickkontakt herzustellen und das Tempo herauszunehmen. Sobald ich mein Getränk (auf den ersten 27,5 km nur Wasser) habe, erhöhe ich zunächst wieder das Tempo und präpariere meinen Becher zu einer Art Schnabeltasse. Drei bis vier kurze Schlucke und es geht weiter.
Ab Kilometer 30 nehme ich ein Liquid von Dextro, welche ich im Tempotraining oder im Crescendo mehrfach ausprobiert habe. Ab km 32,5 versuche ich mich dann mit Cola zu pushen. Erst im Ziel findet dann die verdiente Pause statt.
6. Gels, Liquids und Co.: welche, wann und wie viele?
Insgesamt nehme ich lediglich ein bis zwei Liquids zum Ende des Wettkampfs. Hier gilt vor allem – “nehme nichts was du nicht mehrfach im Training ausprobiert hast!”
Ich persönlich verlasse mich im Vorfeld immer auf meinen Energiestoffwechsel und darauf, dass ich mit den zur Verfügung gestellten Kohlenhydraten ausreichend lange auskomme. Als Richtwert nehme ich das erste Liquid ca. 5 min vor der 30 km Marke und dann nochmal bei Kilometer 36.
7. Ernährung: Was esse ich am besten?
Bei der Ernährung bin ich eher der Hobbyläufer. Ich genieße die Zeit im Vorfeld mit meiner Familie und achte nur bedingt auf das Essen.
Wichtiger hingegen ist mir die Tatsache, dass ich nahezu keinen Alkohol in dieser Zeit konsumiere. Auch Frittiertes landet nach Möglichkeit nur einmal im Monat an einem trainingsfreien Tag auf dem Teller. Ansonsten gibt es für mich keine Besonderheiten.
8. Was tun, wenn es beim Wettkampf nicht läuft?
Meine Marathonwettkämpfe teile ich mir immer in drei zehn Kilometerläufe und einen zwölf Kilometerlauf ein.
Sollte es unerwarteterweise mal nicht laufen versuche ich immer noch bis zum Ende des aktuellen zehn Kilometerlaufs “dran” zu bleiben. Sollte das einfach nicht möglich sein, nehme ich das Tempo raus und genieße den Lauf.
Für genau diesen Fall habe ich immer schon im Vorfeld einen Plan B mit einem alternativen Wettkampf geplant. So nehme ich mir bereits im Vorfeld den Druck, dennoch weiß ich genau: Du kannst mit dem Lauf heute den Trainingsblock bereits früher als im Zweifel notwendig abschließen und die Regenerations- bzw. Zwischensaisonphase genießen.
9. Habe ich eine Frage vergessen oder kennst du eine Frage, die dir immer und immer wieder gestellt wird?
Warum sollte ich solch einen Aufwand für den Marathon betreiben, schließlich bin ich doch nur “Hobbyläufer”? Warum reicht nicht ein einfacher Trainingsplan aus dem Internet?
Zur ersten Frage: Ich persönlich möchte mich im Wettkampf immer in irgendeiner Weise verbessern. Mal ist das Ziel schneller werden und mal länger/weiter laufen. So habe ich beispielsweise im letzten Jahr meinen ersten 100km Lauf gefinished und mich zusätzlich im Marathon um neun Minuten verbessert. Mich persönlich macht es Stolz die eigenen Ziele zu erreichen bzw. zu übertreffen.
Zur zweiten Frage: Die einfachen Trainingspläne im Internet sind für die Allgemeinheit geschrieben und richten sich eher selten an meine Person. Beim Essen koche ich schließlich auch nach meinem Rezept und nicht mit Hilfe irgendeiner “Fix”-Tüte. Für mich heißt es hier kostet nix – kann nix sein. Außerdem fühle ich mich so besser vorbereitet. Meine Gesundheit liegt an erster Stelle und kann durch kein Geld der Welt ersetzt werden.
10. Dein ultimativer Tipp?
Mein ultimativer Tipp lautet: Hast Du ein Training aus unterschiedlichsten Gründen verpasst, dann versuche dieses nicht krampfhaft nachzuholen. Fokussiere stattdessen die nächsten Einheiten und mache dir deine Stärker und deinem bisherigen Trainingsfleiß bewusst.
Disclaimer: Selbstverständlich sind sämtliche Antworten Helmut Bezanis persönliche Meinung als Läufer bzw. als Trainer.
Mehr zum Thema Laufen in meiner Artikel-Serie “Projekt Laufen”
Alle bisherigen und künftigen Beiträge zum Thema Laufen findet ihr unter #ProjektLaufen2014, #ProjektLaufen2015 #ProjektLaufen2016, #ProjektLaufen2017 #ProjektLaufen2018 und #ProjektLaufen2019.