Die Corona-Pandemie hat unser Leben verändert – in vielen Bereichen. Das Virus hat auch im beruflichen Kontext für eine Zeitenwende gesorgt. Bewährte Konzepte (Großraumbüros, Reisen rund um den Erdball, zweistündige Meetings mit vier Stunden Fahrzeit) waren von heute auf morgen überholt und es mussten neue Formen der Zusammenarbeit gefunden werden.
In dieser Zeit ist auch Sara Weber nachdenklich geworden und hat vor diesem Hintergrund das Buch Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? geschrieben.
Im Juni 2021 hat sie ihre Anstellung bei LinkedIn gekündigt. Die Gründe dafür waren vielfältig, eine Burn Out-Diagnose hat den Abschied erleichtert. So wie Weber ging es vielen Menschen, so dass wir inzwischen von einem gesamtgesellschaftlichen Phänomen sprechen, dass auch als “great resignation” seinen Niederschlag im Diskurs und in die Literatur geschafft hat.
Wie wichtig ist mir Arbeit?
Wie wichtig ist mir Arbeit? Diese Frage stellen sich viele Menschen, die im Hamsterrad unterwegs sind, getrieben von Deadlines, Familie, Arbeit und Freizeit. Eins eint viele ohne ihnen. Die Arbeit ist weniger wichtig als bisher und dafür gibt es belastbare Belege. Mehr Menschen kündigen ihren Arbeitsplatz, mehr Menschen sind müde und ausgebrannt und die eigene Sterblichkeit (“Wieviel Zeit habe ich noch auf der Erde?”) gewinnt an Bedeutung.
Hinzu kommt, dass die Mitarbeitenden merken: remote work ist super, warum soll ich ins Büro zurück? Daheim arbeiten ist entspannter und der Freizeitaspekt nicht zu unterschätzen. Ich stehe weniger im Stau und warte weniger oft auf verspätete Züge, Straßenbahnen oder U-Bahnen. In Kombination mit unfähigen Vorgesetzen und fehlender Wertschätzung im Beruf fällt es vielen immer leichter, den alten Job an den Nagel zu hängen und Alternativen ins Auge zu fassen.
Krisen gab es immer – aber nicht in der Dichte wie heute
Krisen haben bereits in früheren Zeiten die Welt erschüttert, doch die heutigen Multi-Krisen (drei Jahre Corona, Angriffskrieg auf die Ukraine, krasse Inflation) haben heutzutage eine ganz andere Qualität. Die Pandemie hat alles und jeden verändert. Die Auswirkungen auf den Alltag waren in dieser Hinsicht insbesondere spürbar. Selbstverständlichkeiten wie Besuche von Familie und Freunden waren nicht mehr erlaubt, an Entspannung im Kino und gemütliche Abende im Restaurant war auch nicht zu denken. Stattdessen hatten wir Zeit zum Nachdenken und Arbeiten.
Aber zurück zum Arbeitsleben. Die Generation Y und Z sind anders sozialisiert als die Generationen vor ihnen. Sie leben es vor, sie benötigen nicht nur einen Job fürs gesamte Leben, sondern wechseln gern und planen nicht mehr die klassiche Konzern-Karriere. In Kombination mit dem demographischen Wandel und dem mehr als offensichtlichen Fachkräftemangel ändert sich alles: die Arbeitgeber müssen Arbeitende regelrecht anbetteln und die Mitarbeitenden führen einen „war of talents“ mit ganz anderen Verhandlungsspielräumen und mehr Selbstbewusstsein.
Quiet Quitting – oder: Dienst nach Vorschrift
Machen wir uns nichts vor. Den Konflikt Jüngere gegen Ältere gab und gibt es in jeder Generation. Mit einem gewichtigen Unterschied: das (Arbeits-)leben hat sich nachhaltig verändert und verdichtet. Die Grenze zwischen Beruf und Privat ist fließend und wurde durch das Arbeiten im Home Office noch mehr aufgeweicht. Es gibt keine räumliche Trennung mehr Arbeit und Privatem wie früher.
Dazu kommt das Quiet Quitting, also die schwindende Loyalität des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und vice versa. Die Folge: es wird nur noch Job nach Vorschrift erledigt und Überstunden sind tabu. Deshalb lautet Sara Webers Diagnose: sehr viel arbeiten und das Arbeitsvolumen reduzieren passt nicht zusammen, weil immer weniger Arbeitende auf dem Markt sein werden – insbesondere wenn die sogenannten Babyboomer in Rente gehen.
Hinzu kommt das Paradoxon, dass die Arbeit trotz neuer Technologien nicht abnimmt. Stattdessen verbringen wir viel Zeit in viel zu vielen Meetings und mit der Bearbeitung von E-Mails, die am meisten Zeit fressen. Kurzum: die Technologie macht uns mehr Arbeit, die wir nicht machen müssten. Und das sollte jeden von uns nachdenklich stimmen.
Abrechnung mit Purpose und Passion
Purpose und Passion sind zwei Begriffe, die das Arbeitsleben unserer Tage maßgeblich begleiten. Sara Weber verbindet in Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? allerdings wenig Positives mit diesen Attributen, im Gegenteil. Für sie steht sowohl bei Leidenschaft als auch bei Sinn für dasselbe Problem im Kontext der Arbeit. Sie ist der Meinung, wer sich beruflich aufopfert – egal ob für den guten Zweck oder aus Liebe zum Job -, nimmt eher schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Bezahlung oder überlange Arbeit in Kauf.
Und diese sind dann eine Falle, die uns in den Burnout locken und uns dann alles andere als glücklich und zufrieden machen. Insbesondere bei Pflegekräften und Erziehenden ist dieses Phänomen alles andere als selten. Eine These, die heutzutage eher selten thematisiert und diskutiert wird.
Sara Weber im Podcast “On the Way to New Work”
Im Podcast “On the Way to New Work” von Christoph Magnussen und Michael Trautmann ist Sara Weber kürzlich zu Gast gewesen: