Charlotte Gneuß entführt uns in ihrem eindringlichen Debütroman ‘Gittersee‘ in das Jahr 1976, in den Dresdner Vorort Gittersee. Hier erleben wir die bewegende Geschichte der 16-jährigen Karin, die in einer Welt lebt, die längst vergangen ist.
Die Autorin verwebt gekonnt die persönliche Entwicklung der Protagonistin mit den historischen Gegebenheiten der DDR und schafft so ein intensives Bild der 1970er Jahre.
Der Handlungsort, der titelgebende Ort Gittersee, wird von Gneuß detailreich und authentisch beschrieben. Durch die Augen von Karin, einer einfühlsamen Schülerin, erfahren wir von den Träumen und Unsicherheiten einer Jugendlichen, die inmitten einer Gesellschaft aufwächst, in der Unsicherheit und Überwachung allgegenwärtig sind.
Die Geschichte von Karins verschwundenem Freund Paul, vermutlich geflüchtet in den Westen, zieht den Leser in den Sog von Karins wachsendem Druck und ihrer Konfrontation mit der Stasi.
Die Unbeschwertheit des Heranwachsens wird durch die düstere Atmosphäre der Überwachung und der familiären Probleme, einschließlich des Verlusts ihrer Mutter, durchdrungen. Dabei entstehen eindrucksvolle Bilder von Karins Freundinnen, deren Familien und dem generellen Lebensgefühl in der DDR.
Ungewohnter Schreibstil
Anfangs habe ich mit dem Erzählstil von Charlotte Gneuß gefremdelt. Doch nach den ersten Kapiteln hat sich dieses Fremdeln schnell gelegt – und nicht nur das. Der Schreibstil passt perfekt in die Geschichte rund um Karin, ihre Familie und ihre Freunde.
Dieser Stil verlangt dem Leser eine gewisse Konzentration ab, da die Erzählung zwischen den Ebenen der Träume, der Gegenwart und der Vergangenheit wechselt. Und somit Karins Gedankenwelt treffend widerspiegelt und dem Roman eine einzigartige Dynamik verleiht.
Darüber hinaus gelingt es der Autorin, uns mit Karins Naivität und Arglosigkeit in die Lebensumstände der DDR eintauchen zu lassen. Die sozialistische Propaganda in der Schule, die allgegenwärtige Überwachung und die persönlichen täglichen Kämpfe der Charaktere tragen dazu bei, ein vielschichtiges Bild der Zeit zu zeichnen. Auch wenn Karins Handeln am Ende die eine oder andere Frage aufwirft, trägt es dennoch zur Komplexität der Figur bei.
Kurzum: ‘Gittersee‘ von Charlotte Gneuß ist ein fesselnder Roman, der durch seinen speziellen Erzählstil und die authentische Darstellung der DDR in den 1970er Jahren besticht. Leser, die sich für gesellschafts-geschichtliche Romane und Coming-of-Age-Geschichten interessieren, werden hier auf faszinierende Weise in eine vergangene Ära entführt.